Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Was meinen Sie – kann einer, der Schwächen hat und Macken trotzdem Vorbild sein? Oliver Kahn zum Beispiel, der frühere Torwart der Fußballnationalmannschaft? Der hat während der WM mal gesagt: „Es ist schön, … wenn man für andere Spieler ein Vorbild sein kann“ –Wahrscheinlich ist er das, weil er mit Disziplin und Entschlossenheit und Einsatz viel erreicht hat. An ihm kann man aber auch sehen, dass man nicht völlig fehlerlos sein muss, um für andere ein Vorbild zu sein. Schließlich hatte er immer mal einen Ausraster auf dem Fußballplatz und seine privaten Affären und Beziehungsturbulenzen waren auch nicht eben vorbildlich.
Kann so einer Vorbild sein?  Machen die Schwächen ein Vorbild vielleicht sogar erst erreichbar? Traut man es sich dann vielleicht eher zu, ihm nachzueifern, wenn man merkt: Man muss nicht in allem perfekt sein?
Vielleicht sagen deshalb ja manche Jugendliche: „Bin ich Jesus?“ und meinen damit: Ich habe Schwächen, ich kann und weiß nicht alles. Ich brauche gar nicht erst versuchen, mir einen wie Jesus zum Vorbild zu nehmen. „Bin ich Jesus?“ Das ist ja eine prima Ausrede: Ich bin nicht Jesus, von mir kann keiner erwarten, dass ich etwas Besonderes leiste.
Ich finde Jesus trotzdem vorbildlich. Vor allem darin, dass er nicht auf sich selbst geschaut hat. Ihm ging es nicht darum, besonders viel Ansehen zu gewinnen – obwohl er wohl die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Jesus hat auf die anderen geschaut. Dass es denen gut geht. Dass die herausfinden aus dem, was sie belastet. Dafür hat er sich eingesetzt. Auch wenn die Leute ihn dafür einen Freund der Betrüger und der Sünder genannt haben.
Ein gutes Vorbild ist einer, der sich nicht selber in den Vordergrund stellt, sondern für die anderen da ist. Nicht der Fußballer also, der selber glänzen will mit seinen tollen Tricks. Sondern der, der für den Sieg seiner Mannschaft spielt. Die Pfarrerin, die nicht für ihre guten Einfälle gelobt werden will, sondern die etwas zu sagen hat, was den Zuhörern Anstöße gibt für ihren Alltag. Und manchen gibt wahrscheinlich auch zu denken, wenn ein Fußballer nach einem Tor sich bekreuzigt und mit einem Blick nach oben Gott dankt. Ich habe meine Begabung nicht allein durch viel Training, sondern von Gott,  soll das wohl heißen.
Ich finde: Solche Vorbilder können ruhig auch Schwächen haben und Macken. Das macht denen Mut, die auch Schwächen haben und Macken.
Wofür sind eigentlich Sie ein Vorbild? Denken sie an Olli Kahn: „Es ist schön, wenn man Vorbild sein kann!“

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