Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ein Gebet ist wie ein gutes Gespräch. Aber so viele Menschen heutzutage sind religiös sprachlos geworden. Es liegt nicht nur daran, dass sie nicht mehr glauben oder dass ihnen der Glaube einfach kein Thema ist. Nein, selbst wenn sie sich an Gott wenden wollen, fehlen ihnen oft die Worte. Sie haben keine Erfahrung wie sie mit diesem unsichtbaren und für sie anonymen Gegenüber ins Gespräch kommen sollen. Erschwerend kommt hinzu: Zu oft sind schon Gespräche im Alltag nur ein Austausch von Bedürfnissen oder von Überzeugungen, wie zwei getrennte Röhren, durch die die Worte aneinander vorbeirauschen. Was aber gehört zu einem guten Gespräch? Menschen, die sich damit etwas genauer beschäftigt haben*  nennen vier Haltungen, die es ermöglichen, dass ein Gespräch ein gutes Gespräch wird. Ich will diese Haltungen auf beides hin bedenken: auf das Gespräch im Alltag und auf das Gespräch mit Gott. Zu einem guten Gespräch gehört erstens: Artikulieren, klingt banal, was sonst, ich muss das, was ich vermitteln will auch sagen, in die richtigen Worte fassen. Dabei bringe ich mich natürlich immer selbst mit, meine Gedanken und Gefühle. Ich darf mich nicht verschanzen, muss auch was von mir preisgeben. Im normalen Gespräch wie auch beim Gebet. Wenn ich das tue, dann interessiert mich auch, was mir der andere mit-teilen möchte. Bei beidem, beim Gespräch wie auch beim Gebet geht es deshalb ums Hören, geht es darum sich dem Gegenüber zu öffnen. Dem anderen gut zuhören zu können, ist das zweite Element eines guten Gesprächs. Auch scheinbar selbstverständlich, aber wie oft gehen die Worte doch zum einen Ohr rein und zum anderen Ohr wieder raus. Zum besseren Zuhören hilft mir der Respekt. Die dritte Haltung für ein gutes Gespräch. Dass ich den anderen mit Wohlwollen und Würde behandle. Beim Gebet kommt die Ehrfurcht hinzu. Dabei geht aber es weniger um Furcht als um das Bewusstsein, dass ich mich an ein höheres Wesen wende. Damit hängt auch die vierte Haltung für ein gutes Gespräch zusammen. Die Dinge in der Schwebe halten. Das heißt, dass ich das, was zwischen meinem Gesprächspartner und mir gesagt ist, wirken lasse. Es nicht zu schnell zu Meinem mache oder es ablehne. Wenn ich etwas in der Schwebe halte, dann setze ich es frei und kann warten was damit passiert. Im Gebet biete ich Gott meine Worte, Gedanken und Gefühle in diesem Schwebezustand an. Auf dass er sie  annehme, sie mir wieder zurückgebe und sie wirken lasse. Irgendwann. Irgendwie…

* Vgl. Isaac „Dialog als Kunst gemeinsam zu denken “, Köln 2002

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17885
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