Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Pleite sein, zahlungsunfähig. Das kann nicht nur Inhabern von Firmen passieren, sondern auch Privatpersonen. Manche haben einfach über ihre Verhältnisse gelebt. Andere haben für ihren Lebensgefährten oder Verwandten gebürgt und müssen nun für fremde Schulden gerade stehen. Wieder andere sind mit einer Geschäftsidee baden gegangen.
Ihnen allen gemeinsam ist: der Schuldenberg ist groß und er wächst weiter, weil die Zinsen das übersteigen, was mühsam abgezahlt werden kann. Die Situation ist für viele fast ausweglos. Sie haben kaum eine Chance sich aus eigenen Kräften aus der Schuldensituation herauszuarbeiten, keine Perspektive für eine Zukunft ohne Schulden.
So war das lange Jahre für viele Menschen auch bei uns in Deutschland – bis vor 15 Jahren die Privatinsolvenz eingeführt wurde. Nach biblischem Vorbild. Denn im alten Israel galt es als göttliches Gesetz, dass jedes siebte Jahr ein Sabbatjahr war. Da wurden jedem Menschen seine Schulden erlassen.
Seit 1999 gilt das jetzt bei uns Deutschland: Nach sechs Jahren mit strengen Auflagen, in denen den Schuldnern nur das Existenzminimum bleibt, wird der Rest der Schulden erlassen. Neuanfang ist möglich, eine Zukunft ohne Schulden. Mittlerweile nutzen das jährlich über 100.000 Menschen.
Nun ist der Schuldenerlass sogar in einem verkürzten Verfahren möglich. Ab heute kann man schon nach drei Jahren schuldenfrei sein. Das gilt allerdings nur, wenn man bis dahin 35 Prozent seiner Schulden zurückzahlen konnte. Sicherlich ist das für viele eine zu hohe Hürde, für einige andere aber eine gute Chance, den Neuanfang schneller zu erreichen.
Und das ist gut so. Denn ohne die Möglichkeit neu anzufangen, bleibt ein Mensch ohne Perspektiven und Hoffnung. Und ohne Perspektiven und Hoffnung gibt es kein Leben in Würde. Das hat unser Staat zum Glück erkannt, genau wie die Gesetzgeber im alten Israel.
Deshalb steht in der Bibel ja auch nicht nur viel über Gott, sondern darum finden sich dort auch handfeste Handlungshinweise für das menschliche Zusammenleben. Denn für Gott hat jeder Mensch Würde und verdient Anerkennung – auch wenn er Schulden gemacht hat. Und jeder Mensch hat für Gott immer wieder die Chance zum neu anfangen verdient. Und das sollen die Verschuldeten auch in ihrem Lebensumfeld spüren können.
Allen Menschen eine Perspektive zu geben auf ein Leben in Würde. Ich finde, das ist die wichtigste Menschheitsaufgabe überhaupt. Heute noch genauso wie zu biblischen Zeiten. Und es ist an uns, dafür zu sorgen, dass sie Gestalt gewinnt – und nicht nur im Insolvenzrecht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17816
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