Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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" Das stört doch keinen großen Geist!"
Für mich ist das einer der Spitzensätze von Astrid Lindgren, der weltberühmten Kinderbuchautorin. Dieses Jahr wäre sie 100 Jahre alt geworden. Ihre Romanfiguren gehören zum inneren Freundeskreis sehr, sehr vieler Kinder: Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga, die Kinder aus Bullerbü. Und eben Karlsson vom Dach,
der, wenn ihm jemand krumm kommt, so einfach sagen kann:
"Das stört doch keinen großen Geist!" und:
"Ich bin ein schöner und grundgescheiter und gerade richtig dicker Mann in den besten Jahren!"
Das muß man erst einmal von sich sagen können! Ich bin erstens: schön. Zweitens: grundgescheit. Drittens: gerade richtig dick. Und außerdem noch ein Mann - oder eine Frau - in den besten Jahren. Und falls irgend jemand das anders sehen sollte -
"das stört doch keinen großen Geist!"
Beneidenswert dieser Karlsson, wie er so in sich ruht und völlig unabhängig ist von der Meinung und vom Urteil der anderen.

Die Kinderbücher von Astrid Lindgren atmen alle dieses große Vertrauen. Zu sich selbst und zum Leben überhaupt. Und deshalb ist es auch so eine Freude, ihre Bücher zu lesen oder vorzulesen und mitzuerleben, wie dieses Grundvertrauen in die Kinderseelen einzieht. Und wie dieses unendlich wichtige Gefühl Raum gewinnt,
daß die Welt grundsätzlich gut ist. Und dass ich kleiner Mensch prima bin, so wie ich bin. Und dass es immer einen Weg gibt. Auch wenn er nicht gleich zu sehen ist.
"Wenn ich so drüber nachdenke, dann kann ich eigentlich alles." sagt die kleine Lotta aus der Krachmacherstraße mit ihren 4 Jahren. Astrid Lindgren hat ihr diese große Selbstsicherheit ins Herz gelegt, die niemand so schnell zerstören wird und die man sich als Erwachsener manchmal so sehr wünscht.

Astrid Lindgrens Bücher sind vordergründig keine religiösen Bücher.
Aber alle ihre Kinderfiguren strahlen diese wunderbare Sicherheit aus. Ich glaube,
die kann man nur haben, wenn man sich geliebt fühlt. geliebt von den Eltern, den Großeltern, den Menschen, die um einen herum sind. Und geliebt von Gott.
Und ich glaube auch, dass wir Menschen einander dieses Gefühl geben können. Indem wir zeigen, dass wir die Menschen lieben. Indem wir zeigen, dass wir selbst uns geliebt fühlen.
Und wenn dann ein Mensch voller Überzeugung von sich selbst sagen kann:
Ich bin ein schöner und grundgescheiter und gerade richtig dicker Mensch in den besten Jahren!
Dann ist das Gnade.
Ich finde, mehr braucht man eigentlich nicht für ein gutes Leben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=1776
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