Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ich bin evangelisch. Und ich freue mich über den Feiertag heute, den ich den katholischen Christen zu verdanken habe. Denn Fronleichnam ist ein katholischer Feiertag. Ich werde deshalb den freien Tag heute genießen und nach draußen gehen und  in meinem Dorf miterleben, wie meine katholischen Nachbarn diesen Tag feiern. Diese wunderbaren Blumenteppiche auf den Straßen. Die Hingabe, mit der sie gestern oder heute frühmorgens schon Stunden auf Knien gelegen und diese so vergänglichen Kunstwerke auf den Straße ausgelegt haben. Und dann die feierliche  und fröhliche Prozession durch die Straßen mit Musik und Gesang.
Denn mit einem „Leichnam“ und einem Trauerzug hat Fronleichnam rein gar nichts zu tun. Das Wort leitet sich ab vom mittelhochdeutschen „vrône lîcham“, und das bedeutet – Herr und Leib. Fronleichnam heißt also „Leib des Herrn“.
Und dieser „Leib des Herrn“ wird heute durch die Straßen getragen. Feierlich geschmückt in der  Monstranz,  Protestanten würden sagen, im Abendmahlsgeschirr, wird das Abendmahlsbrot durch den Ort getragen. Sozusagen Christus selbst. Denn er ist nicht nur in den Kirchen zu finden, sondern auch draußen, auf den Straßen. Draußen im Alltag sollen die Menschen auf ihn vertrauen, nicht nur drinnen, hinter den Kirchenmauern. Das zeigt Fronleichnam.
Wir Christen haben es gelernt, einander zu respektieren. Auch in unseren verschiedenen Feiertagen. Und was den anderen heilig ist, das können heute beide Seiten gelassen hinnehmen.
Ich finde auch, heute stehen die beiden Konfessionen vor derselben Herausforderung. Der Glaube muss raus aus den Kirchenmauern, egal, ob sie nun evangelisch oder katholisch sind.  Das Vertrauen auf Gott gehört auf die Straßen. In ihrem Alltag sollen die Menschen spüren: Gott stärkt und stützt mich. So wie Jesus das gemacht hat.
Ich finde es gut, wenn Christen ihren Herrn herumzeigen. Weil sie ja auch sonst Stellung beziehen von ihrem Glauben her. Zum Beispiel, wenn sie sich für den Frieden einsetzen oder wenn sie Fremde in unserm Land willkommen heißen. Die Herausforderung für Christen liegt draußen auf den Straßen und nicht hinter den Kirchenmauern. Deshalb finde ich es ganz gut, wenn katholische Christen genau das heute bei ihrer Fronleichnamsprozession zeigen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17722
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