Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Sie dürfen die Braut jetzt küssen!“.
Manchmal ist das genau der Satz, auf den die Hochzeitsgesellschaft die ganze Zeit gewartet hat: „Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“
Dann geht ein heiteres Aufatmen durch die Menge. Jetzt ist es also offiziell, die beiden sind verheiratet. Jetzt wird geküsst.
Aber das ist Hollywood. In „Die Braut, die sich traut“ oder in „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ ist das ein Höhepunkt.
Im Ablauf eines Traugottesdienstes ist dieser Satz eigentlich nicht vorgesehen. Warum auch? Es ist ja längst nicht mehr so, dass ein Liebespaar sich erst dann öffentlich küssen darf, wenn es verheiratet ist. So prüde geht es in Deutschland schon seit 80, 90 Jahren nicht mehr zu.
Bei einer kirchlichen Trauung ist es der Segen und das laute Ja von Braut und Bräutigam, die viel wichtiger sind als der Kuss.
„Ja“. Das ist die Antwort auf die Frage: Willst Du diesen Mann, willst du diese Frau, lieben und ehren und die Ehe nach Gottes Gebot und Verheißung führen, in guten wie in bösen Tagen, bis dass der Tod euch scheidet? So antworte. Ja, ich will. Ja, mit Gottes Hilfe.
Das wollen die beiden hören, die vor dem Altar stehen: ja, ich will zu dir gehören und mit dir leben, für immer, in guten und in schweren Tagen. Das verspreche ich dir jetzt noch einmal laut und deutlich und vor allen.
Aber eine Ehe kann auch scheitern, trotz der besten Vorsätze.  Die Brautpaare wissen das alle. Denn das haben sie ja selbst erlebt bei anderen oder in der eigenen Familie. Die Ehe ist immer ein Wagnis. Darum bitten die zwei Liebenden in der Kirche um Gottes Segen. Denn auch sie könnten ja scheitern.
Gerade darum ist der Segen so wichtig. Weil er nicht nur für die guten Tage gilt, in denen man sich mit Freude liebt und küsst. Gottes Segen gilt auch für die schlechten Tage, in denen sich die zwei vielleicht zur Zumutung werden. Für die Tage, in denen sie zueinander halten wollen, obwohl sie eigentlich auch gehen könnten.
Dass sie dafür die Kraft haben, dazu segnet sie Gott. Möglich ist auch, dass die beiden trotz bestem Willen irgendwann nicht mehr beieinander bleiben können. Dann brauchen sie den Segen Gottes immer noch. Dass sie fair bleiben können zueinander. Dass sie gemeinsam für die Kinder da sein können. Dass sie ihre Ehe gut zu einem Ende bringen können. Das alles schwingt mit bei einem Traugottesdienst, auch wenn jetzt in jedem Fall die große Liebe im Vordergrund steht.
Und der Brautkuss im Traugottesdienst? Den können die zwei sich ja außerdem noch geben. Im Gottesdienst und dann hoffentlich jeden Tag.
Also: Sie dürfen die Braut jetzt küssen. Und den Bräutigam auch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17719
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