Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Das Gehirn von Jugendlichen ist in der Pubertät schlecht durchblutet. Schlechter jedenfalls als sonst üblich und normal. Das haben amerikanische Wissenschaftler in einer großen nagelneuen Studie herausgefunden. Vor allem der Bereich im Gehirn ist unterversorgt, der für Gefühle und für das soziale Verhalten zuständig ist. Wer selbst mit pubertierenden Jugendlichen zusammen lebt oder mit ihnen in der Schule zu tun hat wie ich, der weiß, wie deren Gefühlshaushalt schwankt. So ungefähr zwischen 12 und 17 ticken die Heranwachsenden anders.

Ich frage mich allerdings: Was fange ich mit diesem neuen Erklärungsversuch an? Gut, die Begründung ist eine andere. Die Mediziner haben jetzt etwas in der Hand, das sie messen können: Wie viel Blut fließt in welcher Zeit durch eine wie große Hirnmasse. Aber das Phänomen Pubertät ist damit noch lange nicht erklärt! Die Fakten ändern sich dadurch nicht. Für alle Betroffenen bleibt diese Zeit kompliziert und anstrengend: Die Jugendlichen sind schwierig. Und die Eltern und Lehrer sind es umgekehrt auch.

Wollen die Ärzte in Zukunft eine Art Stent setzen, eine Stütze für die Gefäße im Hirn um die Versorgung mit Blut zu erhöhen? So wie das beim kranken Herzen gemacht wird?Nein, die Pubertät ist keine Krankheit und man muss sie aus diesem Grund auch nicht heilen. Sie ist ganz einfach ein Abschnitt im Leben. Und ein wichtiger dazu. Er ist dadurch charakterisiert, dass sich in dieser Zeit mehr als sonst verändert. Jugendliche entdecken ihre Sexualität und verlieben sich zum ersten Mal. Sie fordern ihre Lehrer heraus und testen, wie weit sie gehen können. Sie probieren alles Mögliche aus, um herauszufinden, wer sie sind und was sie wirklich wollen.

Unsere Zeit ist dadurch charakterisiert, dass alles schnell gehen muss und möglichst einwandfrei funktioniert. Deshalb dauert der Weg zum Abitur normalerweise nur noch acht Jahre statt neun. Und der Druck, erfolgreich zu sein in Schule und Berufsleben, ist höher als noch zu meiner Jugendzeit. Ich glaube nicht, dass das für den Menschen gut ist. Für junge Leute erst recht nicht. Die sollen so sein dürfen, wie sie eben sind: ein bisschen verrückt, manchmal unausstehlich, aufmüpfig und scheinbar ohne Interesse an Gott und der Welt. Auch wenn man seit neuestem weiß, dass es etwas mit dem Blut in ihrem Gehirn zu tun hat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17701
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