SWR1 3vor8

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Es hat was ziemlich Betuliches und auch was leicht Minderbemitteltes: wenn von Christen als Schäfchen und von ihren Geistlichen als Hirten gesprochen wird. Eine zwar nette pastorale Szenerie, aber doch zusammengesetzt aus einer Gruppe schlichter Herdentiere und einer  haushoch überlegenen Führungsfigur. Dieses Bild verkennt aber zweierlei. Zum einen, dass es ein einmaliges und einmalig schönes Bild dafür ist, wie die Führungsfiguren einer Religionsgemeinschaft mit den Gläubigen umgehen könnten bzw. sollten. Zum anderen verkennt dieses scheinbar betuliche Bild vom Hirten und seiner Herde in welch gar nicht betulichem Kontext es entstanden ist. Davon ist heute in den katholischen Gottesdiensten zu hören.  

Im Johannes-Evangelium wird erzählt wie Jesus am Sabbat einen Blinden geheilt hat. Der Sabbat war ein strenger Ruhetag und ein Blinder galt als von Gott bestrafter Sünder. Die Pharisäer, die strengen Hüter der religiösen Gesetze, machen ihm diese Heilung am Ruhetag zum Vorwurf. Jesus aber dreht den Spieß um und klagt die herzlose Härte der Pharisäer an. Und zwar mit eben jenem Bild vom Hirten und seinen Schafen. Mit diesem Bild will er ihnen klarmachen wie sie mit den Menschen umgehen sollten: menschlicher! Jesus beschreibt ihnen was einen guten Hirten ausmacht. Er kennt seine Schafe, will ihnen gut, er nennt sie sogar bei ihren Namen. Und sie kennen seine Stimme und folgen ihm. Dass er sie bei ihren Namen nennt bedeutet, dass er jedes einzelne Wesen so wertschätzt wie es ist, um jedes Einzelne weiß und sich um es kümmert. Dass die Schafe seine Stimme kennen heißt, dass er ihnen vertraut ist und sie ihm auch trauen. Dass sie ganz genau spüren was ein wirklicher Hirte ist. Damit will er den Pharisäern verständlich machen, dass eine religiöse Autorität die Menschen, die ihr vertrauen schützen und unterstützen soll, und nicht kontrollieren und strafen.

Es ist bezeichnend, dass die Pharisäer dieses Bild vom guten Hirten nicht verstehen. Mit ihrer rigoristischen Gesetzestreue können Sie es wohl nicht verstehen, dass das Tor ihrer Religion, jeder Religion ein gutes Herz ist. Und der fürsorgliche Wille, dass es den Menschen - um Gottes Willen - gut gehen möge.

Darum wird Jesus als er merkt, dass die Pharisäer sein Bild nicht kapieren überdeutlich und sagt: „Die Diebe und Räuber“, und damit meint er die Pharisäer, „kommen nur um die Schafe zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten. Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ Das ist messerscharf formuliert. Und Sätze wie diese werden Jesus auch ans Messer liefern. Aber die Wahrheit war schon immer gefährlich…

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17541
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