SWR3 Gedanken

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Da musste ich laut rauslachen. Und das passiert mir beim Zahnarzt doch eher selten. Ich musste lachen, weil die bezaubernde Zahnärztin meine Zahnstellung als „lebendig“ bezeichnet hat. Also meine Zähne stehen nicht alle schön in Reih und Glied. Selber schuld, hab als Kind halt die Zahnspange verweigert. Und so könnte man die Stellung meiner Zähne durchaus auch ungerade, schief oder krumm nennen. Aber die junge Frau wollte nett zu mir sein und hat diesen Euphemismus benutzt. Ein Euphemismus ist, wenn man etwas Unangenehmes oder Unschönes mit angenehmen oder schönen Worten sagt. Also zum Beispiel lebendig statt krumm. Euphemismen sind was Wunderbares. Man muss die Dinge nicht immer so hart beim Namen nennen wie sie sind. Es tut gut, wenn die Realität nicht immer 1:1 in Sprache umgesetzt wird. Sondern Sprache dazu benutzt wird die Realität erträglicher, freundlicher oder schöner zu machen. Natürlich nicht immer. Es gibt auch ziemlich doofe Euphemismen: „Kostenintensiv“ statt teuer oder „Best Agers“ für die Generation der so langsam die Zähne ausfallen. Es kommt auch immer auf die Situation oder den Ernst der Lage an. Ärzte zum Beispiel verstecken sich manchmal hinter Fremdwörtern oder auch hinter Euphemismen. Wenn zum Beispiel klar ist, dass ein Mensch sterben muss und sie dann von „austherapiert“ reden. Sprache kann verschleiern, reinknallen oder sanft verpacken. Es kommt immer darauf an in welcher Situation ich welchem Menschen was sage. Vor allem aber auf meine Haltung: will ich dem Menschen gut, dem ich etwas direkt, sanft oder verschleiert sage? Und tut es ihm auch gut, wenn ich es ihm sage wie ich es sage? Meine krumme Zahnstellung als lebendig zu bezeichnen hat mir jedenfalls sehr gut getan. Danke Frau Doktor!

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