Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es macht mir Angst, was in der Ukraine passiert. Dass wieder mit Gewalt Politik gemacht wird. Mit militärischer Erpressung und Geiselnahme. Und nicht mit Recht und fairen Wahlen.
Ich kann es nicht fassen, dass Menschen sich zu Feinden machen lassen, bloß weil die einen lieber Russisch und anderen lieber Ukrainisch reden.
Wie können Menschen vergessen, dass sie lange miteinander ordentlich ausgekommen sind.
Und es macht mich sprachlos und zornig, wie leichtfertig manche auch bei uns mit zündeln. Vor allem mit Worten. Politiker, und sogar Journalisten.
Ich finde das gefährlich. Schon oft haben Kriege genau so angefangen. Immer haben auch diejenigen sie mit angezettelt, die ihre Worte nicht im Zaum gehalten haben. Nicht mehr friedlich geredet. Zuerst sind immer die scharfen Worte, bevor scharf geschossen wird. Kriegerische Gewalt beginnt immer in den Köpfen und mit den Zungen, oder?
Und mit dem Frieden ist es genauso.
Wenn wir den bewahren und wirklich erreichen wollen, müssen wir auch klaren Kopf bewahren und Frieden in den Worten.
Wie Thea Sternheim vor 100 Jahren. Zu Beginn der 1. Weltkriegs. Alle Welt um sie herum hatte nur noch Krieg im Kopf, fast alle haben sie nur noch euphorisch von Sieg geschrien und gesungen.
Thea Sternheim war eine von den wenigen, die auch zu Beginn des 1. Weltkriegs nichts anderes sehen konnten als eine Katastrophe. Sie war gerade mal 30, Mutter von vier kleinen Kindern. Was sie damals gedacht und gefühlt hat, hat sie in ihr Tagebuch geschrieben. Anfang August 1914 steht da:
„Ich bete mit den Kindern vor dem Schlafengehen das Vater Unser.. Ob Deutscher, Franzose, Russe, Engländer – unser aller Vater. ‚Dein Wille geschehe.‘ …Dies aber ist meine flehentlichste Bitte: Erlöse uns von dem Übel. Amen“
Beten hat ihren Kopf klar gemacht. Und ihre Worte friedliebend. Erlöse uns vom Übel, betet sie. Das Übel sind nicht andere Menschen, sondern der Krieg. Das ist für sie ganz klar. Und als Christin ist für sie genauso klar: Gott ist Vater nicht nur der eigenen Leute, sondern auch der angeblichen Feinde.
Ich will die Ukrainekrise heute nicht mit der Zeit vor 100 Jahren gleich setzen. Aber ich finde trotzdem: Thea Sternheim ist ein Vorbild. Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, dass wir als Christen deutlich und öffentlich für Recht und Frieden in der Ukraine beten und einstehen. „Unser Vater, erlöse uns vom Übel.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17483
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