Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Manches, was gut und richtig ist, macht so wie gut wie jeder, ganz selbstverständlich. Und anderes nicht. Warum ist das so?
Zwei Beispiele, wo mir dieser Gegensatz aufgefallen ist:
Zuerst das Positive: In Deutschland lässt man Fußgängern am Zebrastreifen den Vorrang. Die sind die Schwächeren und brauchen Rücksicht. Ich bin viel zu Fuß unterwegs und finde, Anhalten am Zebrastreifen, das haben die meisten Autofahrer intus. In Frankreich z. B. ist das nicht selbstverständlich. Es passiert bei uns auch, dass man am Zebrastreifen übersehen wird, aber die meisten Fahrer entschuldigen sich dann. Bei uns gilt: „Das macht man so in Deutschland.“
Das Gegenbeispiel: Versicherungen übers Ohr hauen zum Beispiel. Oder Steuerehrlichkeit Nicht nur bei Uli Hoeneß. Die Zöllner in Lörrach oder Konstanz haben noch nie so viel Geld entdeckt wie zur Zeit, das in der Schweiz vor dem Fiskus versteckt war und jetzt heimlich zurückgebracht werden soll.
„Das tut man nicht in Deutschland.“ Bei der Steuerehrlichkeit oder bei Versicherungen funktioniert das nicht wirklich. Warum?
Weil es da ums Geld geht? Gehört es inzwischen zu unserem Nationalcharakter, dass wir finanzielle Vorteile für uns herausschlagen wollen? Oder liegt es daran, dass man beim ‚Finanzamt oder Versicherungen Linken‘ die Menschen nicht sieht, denen man in den Geldbeutel greift.
Das Kind am Zebrastreifen dem muss man in die Augen schauen, wenn man es gefährdet.
Wenn das so ist, dann haben wir ein Problem. Mit 80 Millionen Menschen kann man auf Dauer nur gut zusammenleben, wenn man sich auch gut und gerecht zu denen verhält, die man nicht kennt. „Das tut man nicht“ müsste auch da gelten, finde ich Dann kann ich mich gut verhalten und mich umgekehrt darauf verlassen, dass die anderen auch wissen, was man tut und was nicht.
„So tut man nicht bei uns.“ Diese Erfahrung ist schon alt:
Es braucht moralisches Verhalten, das sich einbürgert. Wo man über gut und richtig nicht groß nachdenken muss. Wo der moralische Kompass nicht wackelt, sondern einen auf Kurs hält. Schon in der Bibel gibt es dieses „So tut man nicht“ bzw. positiv: „So tut man“ Und sie versucht auch deutlich zu machen: Auf Dauer ist es für eine Gesellschaft katastrophal, wenn es keine Gewissheiten gibt, auf die man sich im Zusammenleben verlassen kann. Ich frage Sie:
In welchen Lebensbereichen wäre dieses ‚das tut man nicht‘, besonders wichtig? Vielleicht auch wieder neu wichtig? Was müssten wir intus behalten?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17482
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