Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Demokratie wird uns nicht geschenkt. Weil es immer Menschen gibt, die die Macht lieber in ihren Händen behalten, als sie zu teilen. Damit Macht gerecht geteilt wird, braucht es Menschen, die die Demokratie stark machen. Heute, wie vor 500 Jahren.
Damals, Anfang Mai 1514, war Württemberg demokratisch im Aufruhr. Im Remstal, in Tübingen und Stuttgart wird in Ausstellungen an den Aufstand des „armen Konrad“ erinnert. So haben sich damals die einfachen Leute genannt. Sie sind aufgestanden für ihre Rechte und Mitsprache. Einige haben dafür mit dem Leben bezahlt. Hingerichtet zur Abschreckung für die anderen. Demokratie ist kostbar und sie wird uns nicht geschenkt.
Mittendrin in der Bewegung des „armen Konrad“ waren auch Pfarrer. Z. B. Reinhard Gaißer in Markgröningen. Er war einer der „intellektuellen Köpfe“. Von der Kanzel hat er den Menschen das „geistige Rüstzeug“ gegeben, dass sie nicht bloß wütend waren auf „die da oben“, sondern dass sie gemeinsam handeln konnten.
Man kann Pfarrer Gaißer einiges abschauen, bis heute:
Er hatte eine klare biblische Überzeugung. Er konnte sie volksnah und begeisternd predigen und er war sehr gut vernetzt: Was heute Twitter oder soziale Netzwerke sind, waren damals Brieftauben. Sie waren unterwegs zwischen den Städten und haben die Bewegung so zusammen gehalten.
Und wieso fühlt sich dieser Pfarrer Gaißer berufen, sich stark zu machen für die einfachen Leute? Sollte er sich nicht aus der Politik heraushalten?
Er tut es nicht, weil er sich an Vorbilder in der Bibel hält. Die sind auch im Namen Gottes aufgestanden, wenn die einfachen Menschen betrogen wurden.
Pfarrer Gaißer hat von der Kanzel angeprangert, wie eine mächtige Bürgerfamilie das Getreide künstlich knapp gehalten und die Preise in die Höhe getrieben hat. Oder der damalige Landesherr:
Der hat sich was ganz Perfides einfallen lassen. Er hat die Verkaufsgewichte leichter machen lassen. Ein Kilo steht drauf, aber 700 Gramm wiegen sie nur. Also weniger Brot und Fleisch für die Kunden, satte Gewinne für den Händler und mehr Steuern für den Landesherrn.
Am meisten aber hat Pfarrer Gaißer die Menschen in Bewegung gebracht mit dieser Botschaft aus der Bibel: Ihr Armen seid genauso weise wie die reichen Patrizier und darum steht Euch dasselbe Mitspracherecht zu in der Stadt. Im Namen Gottes spricht er jedem politische Macht zu. Egal ob arm oder Millionär. Entsprechend alarmiert waren Bürger, Adel und Landesherr. Es hat lange gedauert, bis dieser Gedanke real geworden ist. Und wie viele warten immer noch darauf, auch bei uns.

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