Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wir alle leben von Opfern, die andere für uns bringen.“(Die ZEIT).
Ich habe erst einmal geschluckt, als ich das in der Zeitung gelesen habe.
Kurz vor Ostern. In dem Artikel wurde an den Tod Jesu erinnert. Im Christentum wird dieser Tod ja auch als „Opfer“, als Hingabe aus Liebe gedeutet.
Aber in dem Zeitungsartikel war von jedem einzelnen Menschen die Rede, nicht bloß von Jesus. „Wir alle leben von Opfern, die andere für uns bringen.“
Ich habe doppelt geschluckt  und mich gefragt:
Stimmt das wirklich? Sind wir im Leben darauf angewiesen, dass wir „Opfer“ füreinander bringen? Andere für mich? Will ich mir das gefallen lassen?
Und umgekehrt: Ich für andere? Bin ich dazu bereit?
Dass wir Dienstleistungen für einander erbringen, ok. Aber dafür bezahlen wir ja. Und wenn ich bezahle, das ist ja dann kein „Opfer“ mehr, oder?
Andererseits: Wenn ich ehrlich bin: Erhoffe ich mir nicht doch mehr von anderen als ich für Geld erwarten kann?
Wenn man ins Krankenhaus muss: Erwarten kann ich für mein Geld, dass ich ordentlich operiert werde. Dass ich professionell betreut werde. Dass man mir das Bett macht und mir mein Essen bringt. Aber dass Pfleger und Schwestern mich herzlich und wirklich mitfühlend behandeln. Das kann ich mir nicht kaufen. Das müssen sie mir freiwillig geben. Das muss von ihnen und von innen kommen. Und das ist das, was „Opfer“ im Kern meint.
Ich habe von meinen Eltern nicht erwarten können, dass sie mir meine Ausbildung ermöglichen, bis zum Studium. Aber sie haben es gemacht, und dafür manches Opfer gebracht.
„Wir leben alle von Opfern, die andere für uns bringen.“
Und andere leben davon, dass ich freiwillig was gebe, aus Liebe. Von meiner Zeit, die ich auch nur für mich selbst nutzen könnte. Von meiner Liebe, ohne dass ich berechne, ob sie auch zurückkommt.
Rechnet es sich, wenn wir füreinander „Opfer“ bringen?
Ja. Vielleicht nicht in Geld, aber in mehr Leben. Wenn jemand freiwillig etwas für mich tut, das macht das Leben oft erst lebenswert. Was wir mit Geld kaufen können, das hält das Leben am Funktionieren. Liebe und Hingabe machen es schön. Geben ihm Tiefgang. Retten uns aus Abgründen.
So gesehen, muss es mir nicht unangenehm sein, wenn jemand ein Opfer  für mich bringt. Wenn jemand aus Liebe etwas Kostbares von sich gibt, damit ein anderer etwas für sein Leben gewinnt. Im Gegenteil: Unangenehm wird es, wenn Menschen keine „Opfer“ mehr füreinander bringen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17479
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