Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Die Wahrheit setzt sich durch – irgendwann. An diesem Satz kann man verzweifeln, weil es manchmal so schrecklich lange dauert. Morgen wird in Konstanz am Bodensee ein Weltereignis gefeiert. Das erinnert mich auch daran wie endlos lange die Wahrheit manchmal braucht. Zugegeben, das war vor 600 Jahren. Da versammelten sich in dem kleinen Städtchen Konstanz am Bodensee Kaiser und Könige, Fürsten, Kardinäle, Bischöfe und sogar der Papst. Von 1414 bis 1418 fand das Konstanzer Konzil statt. Konstanz war 4 Jahre lang gewissermaßen die Hauptstadt Europas.  Morgen wird an dieses Ereignis mit einem Oekumenischen Gottesdienst im Münster in Konstanz erinnert.
Dort haben die Sitzungen des Konzils stattgefunden. Der Kaiser hatte es einberufen, um den schlimmen Zuständen in der damaligen Kirche ein Ende zu machen.
Das Konzil war auch erfolgreich. Er wurden Reformen beschlossen und ein neuer Papst wurde gewählt. Außerdem wurde beschlossen, dass künftig das Konzil über dem Papst stehen und das wichtigste Entscheidungsgremium der Kirche sein sollte. Ein Art Parlament für die Kirche – beschlossen haben sie das damals schon.
Mich bewegt noch etwas anderes, wenn ich an dieses Ereignis denke:  Jan Hus wurde während des Konzils in Konstanz verbrannt. Jan Hus hatte in Tschechien gefordert, wieder ernst zu machen mit dem einfachen Leben und dem Glauben der ersten Christen.
Nur Christus sei als Oberhaupt der Kirche anzuerkennen, hat er gelehrt. Und nur die Bibel, hat er deshalb gefordert  nur die Bibel soll gelten als Grundlage für das, was ein Christ glaubt. Wie später Martin Luther übersetzte er sie in die Sprache seines Volkes, das Tschechische. Wie Luther wollte auch Hus, dass die Leute die Bibel selber lesen konnten und so eigenen Glauben entwickeln.
In Böhmen und Mähren forderten sie  deshalb weitergehende Veränderungen. Es kam zu Unruhen. Deshalb wurde Hus zum Konzil vorgeladen. Obwohl man ihm freies Geleit zugesichert hatte, wurde er auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Seine Sache schien gescheitert.
Aber irgendwann setzt die Wahrheit sich durch. Mühsam. Aber immerhin. Hundert Jahre später hat Martin Luther genauso geredet, wie Jan Hus. Er fand so viele Anhänger, dass man ihn nicht mehr so einfach aus der Welt schaffen konnte. Und im Augenblick erleben wir, wie der Papst eine Erneuerung der katholischen Kirche vorantreibt. Irgendwann setzt die Wahrheit sich durch. Auch wenn es manchmal unerträglich lange dauert und viele auf dem Weg dahin verzweifeln. Vielleicht ist das traurig. Heute – finde ich es tröstlich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17403
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