Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Und du glaubst das wirklich?“ Lange hatten wir miteinander gesprochen und noch länger geschwiegen, sie lag im Bett, ich saß neben ihr. Auf ein Wunder hatte sie gehofft und doch geahnt, dass diese Krankheit nicht zu besiegen war. Dann irgendwann ihre Frage: „Was glaubst du, was nach dem Tod kommt?“ Ich habe versucht, Worte zu finden für das, was ich hoffe, stockend und ein bisschen scheu. Dass Gott alles, was er geschaffen hat, für immer in seiner Hand birgt, auch mich, auch sie. Und dann, am Ende, hat sie gefragt: „Und du glaubst das wirklich?“ Sie konnte nicht glauben, immer wieder hat sie’s mir gesagt – und wollte doch immer wieder hören, was ich glaube. 

Ich habe versucht ihr zu sagen, dass wir vielleicht gar nicht so weit auseinander liegen. Den Glauben gibt es auch bei mir nie ganz ohne den Zweifel, sozusagen pur. Der Zweifel ist der Schatten, den der Glaube wirft.

In den Evangelien gibt es nur eine einzige Stelle, in der ein Ungläubiger, ein Zweifler, im Mittelpunkt steht. Immerhin, es gibt sie; sie wurde nicht wegzensiert von den ganz Frommen, den hundertprozentig Überzeugten. Vielleicht haben sogar sie gespürt: dieser Thomas, dieser notorische Zweifler und Skeptiker, er sitzt auch in uns. Thomas war einer von den Aposteln. Und als einziger hatte er laut und vernehmlich gezweifelt, als die Frauen am Ostermorgen gesagt hatten, Jesus sei auferstanden und sie hätten ihn mit eigenen Augen gesehen. Und das glaubt ihr wirklich? mag Thomas gesagt haben. Das hättet ihr wohl gern, aber ich halte mich an die Realität – und dass ein Toter zurückkommt, das hat es noch nie gegeben und das wird es auch nie geben.

Jetzt hätte er ja gehen können, zurück in den Alltag, wo die Gesetze der Tatsachen gelten, auf die er sich verlässt. Trotzdem ist er geblieben, irgendetwas hat ihn gehalten. Und die andern, die mehr geglaubt haben, sie haben ihn nicht weggeschickt, haben ihn ertragen mitsamt seiner Skepsis. So war Thomas mit dabei, als Jesus sich allen gezeigt hat. Und dann ist er der einzige, der Jesus berühren darf.

Meine Freundin hat keine so überwältigende Begegnung erlebt, sie hat ihre Zweifel  mitgenommen. Aber nicht nur die Zweifel, sondern auch ihren Wunsch zu glauben. Ihr hat sich der Auferstandene erst im Sterben gezeigt. „Und du glaubst das wirklich?“ Ja, das glaube ich wirklich, und da bin ich ausnahmsweise ganz gewiss.

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