SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Es ist kein schönes Thema. Aber ich kann ihm nicht ausweichen.
Ich meine den Zorn Gottes, von dem die Bibel an manchen Stellen spricht.
Ebenso, wie Gott vor Liebe brennen kann, kann er auch außer sich vor Zorn sein.
Wenn Menschen ihm den Rücken zukehren, wenn sie gegen seine Ordnungen leben, wenn sie anderen Göttern nachlaufen.
„Ich habe mich im Augenblick des Zornes von dir abgewendet“, heißt es in einem Bibel-Text. Es ist, als wollte er sagen: Ich fühle mich zutiefst verletzt. Mitten ins Herz bin ich getroffen. All meine Zuneigung – mit Füßen getreten.
All meine Zärtlichkeit – durch den Schmutz gezogen.
Ich will dich nicht mehr sehen. Ich kehre dir den Rücken zu.
Und aus meiner Erfahrung muss ich sagen: Ja, das stimmt.
Es gibt solche dunklen, göttlichen Augen-Blicke.
Selbst wenn man sich keines Vergehens bewusst ist.
Da haben Menschen das Gefühl, von Gott nicht mehr gesehen zu werden, nicht mehr von ihm geliebt und behütet zu sein.
Da sind Menschen der Willkür eines blinden Schicksals preisgegeben, erleiden Krankheit und Unglück.
Dieser Augenblick des Zornes ist schlimm. Aber - es  ist immer nur ein Augenblick, immer nur ein schwacher Moment des starken Gottes.
Der Satz vom Zorn ist immer nur ein Halbsatz, bei dem noch etwas fehlt.
"Ich habe mich im Augenblick des Zorns von dir abgewendet, aber mit ewiger Gnade will ich mich deiner erbarmen," so vollendet Gott diesen Satz. Es ist wieder gut. Du bist wieder in meinem Blick.
Gott überwindet seinen Zorn. Immer wieder haben Menschen das erfahren:
Und mir geht es auch so: Ich spüre. Seine Augen blicken mich wieder an.
Augen-Blicke der Geborgenheit.
In den Gottesdiensten dieser Passionszeit.
Beim Hören der Johannespassion von Bach.
Oder wenn ich das Wort höre: Dir sind deine Sünden vergeben. Gehe hin in Frieden.
Dann kann ich wieder aufatmen, wieder vertrauen, dass Gott gut ist.
Vielleicht ist ja auch der Zorn nur ein Teil seiner Güte.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17360
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