Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Für Kinder ist es eine tolle Erfahrung, wenn sie das erste Mal einen Knoten hinbekommen, der dann auch hält. Die strahlenden Augen, wenn nach langer Anstrengung das Ziel endlich erreicht ist.

In dem Roman „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Sten Nadolny geht es um einen Mann, der immer sehr langsam ist und deshalb bei vielen Dingen hinten anstehen muss. Einmal beschreibt dieser Mann, der mittlerweile Seefahrer geworden ist, seine Erfahrung mit Seemannsknoten: Während der Ausbildung war der Schüler am besten, der den Knoten am schnellsten hinbekam. Draußen auf dem Meer aber kam es darauf an, wie fest und sicher der Knoten war. In gefährlichen Situationen kann das lebensrettend sein.

Das erlebe ich immer wieder, wenn ich mit Jugendlichen zu tun habe: Jugendliche versuchen oft, ihre Aufgaben möglichst schnell zu erledigen, gut ist, wer am Schnellsten fertig ist. Für ältere Menschen kommt es nicht mehr so auf die Schnelligkeit an, da ist Nachhaltigkeit ein wichtigeres Ziel.

Das kennen Sie bestimmt noch aus Ihrer Schulzeit: Der Schnellste ruft zuerst „fertig“. Manch einer oder eine ist immer bei den letzten gewesen, die nie als erste „fertig“ rufen konnten. Vielleicht besitzen sie aber eine ganz andere Fähigkeit: Gute Qualität, wenn auch nicht am schnellsten.

Beim Bergsteigen zum Beispiel geht es mir nicht darum, möglichst schnell oben zu sein, sondern sicher oben anzukommen und die Schönheiten der Bergwelt zu genießen.

Beim Kunstunterricht in der Schule ist nicht das Ziel, möglichst schnell fertig zu sein, sondern ein schönes und aussagekräftiges Bild zu malen.

Beim Musikmachen kommt es nicht darauf an, dass mein Instrument das lauteste ist, sondern dass es zusammen einen schönen Klang gibt.

Das beste Wissen über Gott hat nicht der, der die Bibel möglichst schnell, sondern der sie gründlich gelesen hat. Das erst ergibt ein tragfähiges Fundament, das einen auch in stürmischen Zeiten des Lebens trägt und die Richtung weist.

Wir dürfen uns also die Zeit lassen, um die Dinge, die von uns verlangt werden, gut und nicht zuallererst schnell zu tun. Gott schenkt uns die Zeit. Jeden Tag neu.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17203
weiterlesen...