Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

»Ich will Leben sprechen«. Ein Satz, der auf einem Pinzettel an einem Computer-bildschirm hing. Ganz zufällig habe ich ihn gesehen. In einem Büro fiel er mir ins Auge. Eine Frau hatte ihn dort aufgehängt. »Ich will Leben sprechen«.
Der Satz ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Auch, weil er zu der Frau an dem Bild-schirm passte. Sie lächelte mich an, war freundlich, hat mir weitergeholfen. Aber ich habe gemerkt, dass das nicht alles war. Die Frau war nicht nur freundlich und hilfsbereit. Sie hatte mich durch ihre Art aufgebaut. Mich buchstäblich mit Leben versorgt. Hatte mich lebendig gemacht. Wie ich das gespürt habe? Als wir fertig waren und ich wieder ging, da hatte ich ein ganz leichtes Gefühl. Ein Gefühl der Lebendigkeit.
»Ich will Leben sprechen«. Wie geht das? Mit Höflichkeit oder Hilfsbereitschaft? Das ist bestimmt kein schlechter Anfang. Aber das ist sicher auch nicht alles. Ich glau-be: Ich brauche selbst Leben in mir, wenn ich Leben sprechen will, wenn ich Leben zusprechen will. Das fällt mir manchmal schwer. Ich fühle mich nicht immer leben-dig. Manchmal funktioniere ich nur. Erledige die Aufgaben, die zu erledigen sind. Leben ist da nicht viel drin. Aber manchmal geht es doch: Dann merke ich, wie an-dere aufblühen, zu Leben beginnen in meiner Gegenwart.
»Ich will Leben sprechen«. Ich hab mir diesen Satz auch aufgeschrieben. Damit ich mich daran erinnere, wenn es mal schwer ist, das Leben zur Sprache zu bringen. Wenn Wut oder Ärger die Oberhand gewinnen. Oder einfach nur der Alltagstrott. Und dann hoffe ich, dass der Spruch nicht nur ein frommer Spruch bleibt. Sondern dass ich wirklich Leben sprechen kann.
Thomas Weißer, Tübingen, Katholische Kirche
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1713
weiterlesen...