Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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"Winter, ade! Scheiden tut weh. Aber dein Scheiden macht, dass mir das Herze lacht. Winter, ade! Scheiden tut weh. Gerne vergess' ich dein, kannst immer ferne sein. Winter, ade! Scheiden tut weh. Gehst du nicht bald nach Haus, lacht dich der Kuckuck aus."
Hoffmann von Fallersleben, 19. Jahrhundert.

Das Kinderlied kommt mir in den Sinn angesichts der Jahreszeit, aber auch, weil ich mich in den letzten Tagen von geliebten Menschen verabschieden musste.
"Scheiden tut weh." Gebetsmühlenhaft wiederholt das Kinderlied dieses Gefühl. Abschied nehmen ist schmerzhaft, kann sogar sehr schmerzhaft sein.

Im Lied ist es der Winter, der verabschiedet wird. Die nasse und kalte Jahreszeit, es reicht! Aber es wird auch deutlich, der Abschied hat zwei Seiten. Einerseits ist er schmerzhaft, weil all das Schöne verlorengeht: der in der Sonne glitzernde Schnee, die romantischen Eiszapfen an der Dachrinne, das Schlitten- und Skifahren, Schneebälle werfen, kuschelige Kaminabende und, und, und, ... aber andererseits freuen wir uns auf den Frühling, dass es endlich wärmer wird, die Blumen blühen, die Bäume wieder Blätter bekommen und dass man nicht mehr nur dick eingemummelt im Freien sein kann.
Der Wechsel der Jahreszeiten macht uns deutlich: die Erde, diese Schöpfung,unser Leben sind dem Werden und Vergehen unterworfen. Neues kann nur entstehen, wenn das Alte geht. Das ist ein Naturgesetz. Der Frühling kann erst kommen, wenn der Winter geht.
Eine neue Arbeitsstelle kann ich nur antreten, wenn ich die alte verlasse. Eine neue Wohnung kann ich nur beziehen, wenn ich aus der alten Wohnung ausziehe. Eine neue Liebesbeziehung kann ich nur eingehen, wenn ich eine alte aufgegeben habe. So ist das. Wir leben dauernd mit Abschieden, von geliebten Menschen, von Liebgewonnenem, ja letztlich vom Leben selbst. Nichts in unserem Leben ist so sicher wie der Tod. Deshalb ist es gut, wenn wir uns, bei aller Lebensfreude, auch auf Abschiede vorbereiten, auch auf den letzten. Ich erlaube mir das Lied umzudichten: "Leben, ade! Scheiden tut weh. Aber dein Scheiden macht, dass mir das Herze lacht."
Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Es gibt nichts Schöneres als das Leben, aber so verstehe ich den Ausspruch Jesu ( Mt.16,25-26): "Wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Aber wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen."
Es gibt ein Leben nach dem Tod.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17109
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