Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Er kam als letzter zum Geschäftsessen. Er hat sich an das obere Ende des Tisches gesetzt. Nur noch dieser Platz war frei.
Scherzhaft hat sein Tischnachbar gesagt: "Jetzt musst Du das Tischgebet sprechen". "Ich beten? Beten habe ich nie gelernt, meine Mutter wollte nicht, dass ich in den Religionsunterricht gehe. Ich bin auch nicht getauft." Damit war das Thema erledigt.

Während des Essens habe ich mich als Theologe zu erkennen gegeben. Ich habe das anfangs Erlebte angesprochen und erklärt, dass ich beten gar nicht so schwer finde. Natürlich schmeckt ein gesegnetes Essen von vorn herein nicht besser oder ist gesünder. (Es wird höchstens kalt, wenn man zu lange betet.)
Ein Tischgebet ist nichts anderes, als innezuhalten, sich bewusst machen, was und wer alles dazu beigetragen hat, dass wir uns einfach an den Tisch setzen können und satt werden. Das ist nicht selbstverständlich. Das war es nicht für unsere Vorfahren und ist es heute in vielen Gegenden dieser Welt nicht. Es ist ein Luxus, jeden Tag mehr als genug zu essen zu haben. Dazu noch eines, das schmeckt.
Beten bedeutet in diesem Zusammenhang: ich bin dankbar und mir bewusst, dass ich von vielen und vielem abhängig bin. Warum also nicht auch um Schutz und Segen bitten? Es muss ja nicht ausdrücklich Gott gedankt werden. Für die Früchte der Erde können wir einer Schöpferkraft, der Urquelle allen Seins, danken. Wir können danken für die Natur, die Berge, Täler, Flüsse, Wälder, Blumen, und alles, was wir in ihr und mit ihr erleben dürfen. Danken für die Tiere, die uns erfreuen und Begleiter sein können.

Jeder von uns macht auf seinem Lebensweg eine Entwicklung durch, für die er immer wieder Stärkung braucht. Hilfe von anderen, Unterstützung. Und jeder von uns kann zum Gelingen des Gesamten einen Beitrag leisten. Wir sind in gewisser Weise alle voneinander abhängig. Beim gemeinsamen Essen in einer Gesellschaft wird das besonders deutlich. Deshalb ist gemeinsames Essen auch so schön.

Mein Tischgebet lautet in der Regel so: "Allgegenwärtiger, Gott des Universums und Gott unserer Herzen, segne diese Speisen und alles was Du uns gibst, dass es uns nährt und gut ist für unsere Gesundheit. Ich danke dafür, dass wir genug Nahrung haben, für uns und alle, die zu uns kommen, Nahrung für den Körper, den Geist und die Seele. Ich bitte um Segen für alle, die dazu beigetragen haben, dass wir dieses Essen zu uns nehmen können und ich bitte um Segen für die, die es zubereitet haben. Gib uns Deinen Frieden und Deine Liebe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=17108
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