Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wenn Kinder Gott malen, dann kommt dabei oft ein alter Mann mit langem weißem Bart heraus. Und auch Erwachsene haben manchmal noch ähnliche Vorstellungen. So geht es auch Mack, der Hauptperson in William Paul Youngs Roman „Die Hütte“. Für ihn ist Gott so ähnlich wie Gandalf, der Zauberer aus „Herr der Ringe“.
Das ändert sich, als Mack eines Tages einen Brief von Gott bekommt. Gott lädt ihn ein, mit ihm ein Wochenende in einer einsamen Hütte zu verbringen. Als Mack dort ankommt, öffnet sich die Tür und vor ihm steht: - eine sehr große, ziemlich dicke afroamerikanische Frau.
Gott ist anders als die Leute denken. Ich glaube, das will William Paul Young mit seinem Roman sagen. Und er lädt einen dazu ein, sich auf Gott einzulassen, obwohl ich meine, Gott gut zu kennen. Gerade dann, wenn Gott mich nicht mehr interessiert, und ich vielleicht sogar fertig mit ihm bin.
Auch für Mack ist das Thema „Gott“ eigentlich durch. Ein Grund dafür ist Macks Vater. Der war Kirchenältester und hat jeden Tag in der Bibel gelesen. Gleichzeitig war er Alkoholiker und hat seine Frau und seinen Sohn regelmäßig verprügelt, bis Mack mit 13 Jahren von zu Hause abgehauen ist.
In der Bibel wird Gott oft Vater genannt. Aber seit seinen schlimmen Erlebnissen mit seinem eigenen Vater kann Mack mit Gott als Vater wenig anfangen. Als Mack Gott in Gestalt einer Frau begegnet, lernt er die mütterliche Seite Gottes kennen.
Auch in der Bibel finden sich viele mütterliche Züge Gottes. „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“ (Jesaja 66,13) heißt es da zum Beispiel. Und auch das „Erbarmen“ Gottes, das oft in der Bibel erwähnt wird, ist eine ausgesprochen mütterliche Eigenschaft. Das hebräische Wort für „Erbarmen“ bedeutet nämlich Mutterleib. Wenn es also in einem Psalm heißt: Gottes „Erbarmen gilt allen seinen Geschöpfen“ (Psalm 145,9), dann heißt das: Jeder kann sich bei Gott so beschützt und geborgen fühlen, wie ein ungeborenes Kind im Bauch seiner Mutter. - Diese Seite Gottes lernt Mack in der Hütte kennen. Das ist für ihn überraschend und neu und bringt ihn dazu, ihm schließlich zu vertrauen.
Gott ist oft ganz anders als wir Menschen es denken. „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege“ (Jesaja 55,8), sagt Gott selbst von sich in der Bibel. Ich denke, deshalb lohnt es sich, immer neu nach Gott zu fragen. Wie? Ziemlich unwahrscheinlich, dass Gott mich in eine Hütte einlädt. Aber ich finde, schon „die Hütte“ zu lesen lässt manche eingefahrenen Vorstellungen von Gott wackeln. Und spannend ist der Roman auch.

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