Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Michael Schumacher ist schwer verunglückt. Viele Menschen auf der ganzen Welt haben bestürzt reagiert, Anteil genommen, für ihn gebetet. So ist das wenn man über Jahrzehnte erfolgreich war. Reporter von überallher haben tagelang das Krankenhaus belagert und zum Teil die Arbeit in der Klinik behindert. Im Internet hat es einen liveticker gegeben, in dem man – eben live – den aktuellen Zustand von Michael Schumacher mitverfolgen konnte. Jedes Detail zum Unfall ist in allen Zeitungen, in Radio, Fernsehen und Internet ausführlich dargestellt worden. Bis Corinna Schumacher öffentlich darum gebeten hat, die Menschen im Krankenhaus in Ruhe ihre Arbeit machen zu lassen. Und bis sie darum gebeten hat, ihr mit ihrer Familie den Schutzraum zu gewähren, den alle brauchen, wenn sie Angst um das Leben eines Angehörigen haben. 

Mich berührt das merkwürdig, wie mit einem solchen Unfall in der Öffentlichkeit umgegangen wird. Ich verstehe nicht, was in Menschen da vorgeht. Jedenfalls ist es ungerecht verteilt, wie unterschiedlich aufmerksam wir für das Schicksal anderer sind. 

Wie auf Knopfdruck fallen mir dann all die Menschen ein, von denen kaum jemand Notiz nimmt. Ein Freund, der vor kurzem arbeitslos geworden ist und der sich seitdem vergräbt. Alte Menschen, die wochenlang keinen Besuch bekommen. Die Flüchtlinge vor Lampedusa. 

Ich stelle mir für einen Augenblick vor, wie das wäre, wenn die geballte Aufmerksamkeit für Michael Schumacher sich verteilen würde auf die unzähligen Menschen für die sich keiner interessiert. Das ist utopisch. Ich weiß schon. Aber jede Utopie kann konkret werden. Ich kann in meinem Wohnort wenigstens die Nachbarn kennen lernen und den Kontakt so pflegen, dass sich die Frau von nebenan traut, bei mir zu klingeln wenn ihr zum Kochen eine Zwiebel fehlt. Ich kann die Reinigungskraft in unserem Betrieb endlich mal fragen, wo sie geboren ist und wie es ihr in Deutschland geht. Dass sie anderswo aufgewachsen ist, höre ich nämlich schon lange. Oder ich kann, wie die so genannten grünen Damen und Herren es bereits tun, im Krankenhaus oder im Altenheim Menschen besuchen, die sonst niemand besucht.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16975
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