Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Heute vor genau vier Wochen war Heiligabend.

Gefühlt ist das für mich schon eine Ewigkeit her. Der ganz normale Alltag ist wieder eingekehrt – das neue Jahr hat längst begonnen.

Ich finde das schade, denn ich mag Weihnachten. Die Krippen und die Tannenbäume, die vielen Lichter und die Weihnachtslieder. Vor allem aber die weihnachtliche Botschaft ist wunderschön, denn sie macht Mut zum Leben: Gott wird Mensch. Er ist sich nicht zu schade, unser Leben anzunehmen. Mit allen Höhen und Tiefen. Er will bei uns sein und vor allem denen Trost spenden, die heute noch zu den Armen und Kleinen gehören.

Doch diese Botschaft hört nicht damit auf, dass wir die Weihnachtsdeko wegräumen. Sie gilt das ganze Jahr. Die Hirten im Lukasevangelium zeigen mir, wie das gehen kann:

Völlig unvorbereitet sind sie von Gottes Ankunft überrumpelt worden. Erst die Botschaft des Engels, dann der hastige Aufbruch zum Stall und schließlich Gott als Kind in der Krippe. Aber die Hirten bleiben nicht im Stall in Bethlehem. Sie kehren in ihren Alltag zurück. Äußerlich hat sich vermutlich nicht viel getan. Aus den Hirten sind keine Könige geworden. Und trotzdem ist nichts wie vorher.

Die Bibel beschreibt das in einem schlichten Satz: „Die Hirten kehrten zurück, rühmten Gott und priesen ihn für das, was sie gehört und gesehen hatten.“ (Lk 2, 20)

Für mich heißt das: die Hirten haben in dem neugeborenen Kind erkannt, dass Gott mit den Menschen einen neuen Anfang gemacht hat. Sie haben im Menschlichen das Göttliche erkannt. Dieser Gott ist nicht weit weg, sondern mitten unter ihnen. Das haben sie erfahren und das gibt ihnen die Kraft für ihr Leben. Sie haben Vertrauen gefasst und wissen, sie können mit Gott rechnen. Immer wieder.

Das Göttliche im Menschlichen entdecken – für mich sind das die Momente, die in die Tiefe gehen und in denen ich mich berühren lasse: Wenn ich an mir selbst zweifel und mir der Blick eines Kollegen ohne Worte sagt: es ist schön, dass du da bist. Oder wenn ich – ganz unerwartet – in der Begegnung mit anderen Menschen eine Verbundenheit spüre, die sich nicht machen lässt.

Wie die Hirten muss aber auch ich den ersten Schritt in den Alltag selbst tun. Hinein in das tägliche Auf und ab. Doch ich bin überzeugt, dass sich durch Weihnachten etwas verändert hat. Denn wenn ich wie die Hirten bereit bin, Gott im Menschen zu entdecken, dann darf ich auch heute – und im ganzen Jahr – mit seiner Nähe rechnen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16841
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