Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Erzähl mal, was gibt es Neues? Eine ganz normale Frage. Und meist folgt darauf ein längeres und manchmal auch intensives Gespräch über all das, was eben so in der letzten Zeit war.

Vor ein paar Wochen hat mich diese Frage aber dennoch ganz schön aus der Bahn geworfen. Was gibt es denn eigentlich wirklich Neues bei mir? Was ist wert, es zu erzählen? In diesem Moment schien mir mein Leben so banal… nicht der Rede wert…

In meinem Beruf geht alles seinen gewohnten Gang und auch privat geht es mir gut. Das ist natürlich schön, aber ich hatte eben keine besonderen, einmaligen Erlebnisse zu berichten.

Zufällig kam ich mit einer älteren Frau darüber ins Gespräch. „Wir sind es in unserer schnelllebigen Zeit nicht mehr gewohnt, dass in einem Menschenleben nicht viel passiert.“ sagte sie. „Vor einigen Jahrzehnten war das noch ganz anders. Tagtäglich ging man seiner Arbeit nach – da gab es nur sehr selten eine Dienstreise nach China oder in die USA und technische Neuheiten waren etwas Besonderes.“

Dass unsere Zeit auch viel Schönes und Gutes hat, davon war die Frau überzeugt. Und sie wollte die heutige Zeit gar nicht pauschal kritisieren. Aber sie fragt nach meiner Haltung: Was macht das Leben aus? Muss es immer spektakulär und aufregend sein? Es gibt Lebensabschnitte, in denen will das Leben einfach gelebt sein, auch wenn es eintönig scheint. Deshalb ist es nicht weniger wert.

Ich denke noch oft an dieses Gespräch. Nicht nur die Sternstunden machen mein Leben aus, sondern auch der Alltag und vor allem das, was tagtäglich geschieht.

Ich möchte jeden Tag als Gottes Geschenk verstehen. Ich weiß aber auch um die Aufgaben, die jeden Tag anstehen.

Madeleine Delbrêl, eine christliche Schriftstellerin, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Frankreich gelebt hat, geht sogar noch weiter, wenn sie schreibt, dass Gott mich im Gewöhnlichen findet. Ich muss dafür nur bereit sein.

„Geht in euren Tag hinaus ohne vorgefasste Ideen, (…)

brecht auf ohne Landkarte –

und wisst, dass Gott unterwegs zu finden ist, und nicht erst am Ziel.

Versucht nicht, ihn nach Originalrezepten zu finden,

sondern lasst euch von ihm finden

in der Armut eines banalen Lebens.“

 

(in: Madeleine Delbrêl, Gott einen Ort sichern)

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16840
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