Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wenn du zu einem Fest geladen bist, such dir nicht einen Ehrenplatz aus. Es könnte einer eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann müsstest du beschämt nach unten rücken...“ - Mit dieser seltsamen Tischrede unterbricht Jesus im Lukas-Evangelium (14, 7-11) das festliche Dinner im Haus eines Pharisäers. Setz dich lieber auf den untersten Platz, so fährt Jesus fort, dann kann´s dir passieren, dass der Gastgeber dich aufrücken lässt. „Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen.“

Was auf den ersten Blick wie eine banale Anstandsregel daherkommt, ist aber nicht „Knigge“, sondern von äußerster politischer Brisanz. Es ist nämlich eine Kampfansage an die herrschenden Autoritäten. Rivalisierende Eliten im damaligen Judentum, Pharisäer und Priester zum Beispiel, drängen sich bei solchen events gerne nach vorne und beanspruchen die besten Plätze für sich. Und genau diese macht Jesus ihnen streitig: „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt...“

„Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr..“, witzelt der Volksmund. Aufsteiger und Senkrechtstarter haben mit dieser Tugend wirklich nichts am Hut! Die Macher in Wirtschaft und Finanzindustrie genieren sich wenig: Sie schmücken sich mit Boni und Gehältern jenseits von gut und böse. Ein paar Nummern kleiner, und schon sind auch wir mit von der Partie: Das macht doch was her, das neueste Smartphone oder schicke Klamotten. Warum soll man sich denn bescheiden? Man zeigt, was man kann, man ist, was man hat!

Doch die Bescheidenheit ist in Wirklichkeit gar nicht so erdenschwer, so bedrückend und griesgrämig, wie sie auf den ersten Blick erscheint – ganz im Gegenteil! Sie macht zugänglich, sie bringt uns einander näher, weil sie Unterschiede aufhebt. Sie demonstriert: Du, ich bin dir ganz nahe als Mensch, in der ganzen Zerbrechlichkeit meines Daseins. Ich suche wie du nach Halt und Sinn, bin bedürftig nach Annahme und Geborgenheit. Wir sind Geschwister. Wir können gerne „Du“ zueinander sagen!

Bescheidenheit ist die Plattform für die Liebe, Liebe ist ihr Lohn. Und das gilt wohl auch für die zukünftige Welt. Denn Jesus stellt diese Tugend unter die Zusage: „Wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden“.

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