Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Musikwissenschaftler haben herausgefunden, die Pop-Musik käme immer trauriger daher. Früher sei sie frecher und fröhlicher gewesen. Der Anteil der Stücke, die in Moll und in langsamen Tempi geschrieben sind, habe sich in wenigen Jahren glatt verdoppelt. Was sagt uns das? Hat das auch mit uns zu tun? Werden wir ein Volk von Heulsusen und Jammerlappen?

Nun – das Leben gleicht nicht immer Trompetengeschmetter oder Mozarts Jupiter-Sinfonie in strahlendem C-dur. Über manche Menschen legt sich gerade in der dunklen Jahreszeit die Melancholie wie ein grauer Schleier, es will gar nicht mehr Tag für sie werden. Der Jahreswechsel – auch wenn wir ihn lautstark überspielen – konfrontiert uns mit dem rasenden Fluss unserer Zeit. Das schmeckt nach Vergänglichkeit. 

Da stellt sich natürlich die Frage: Taugt denn der christliche Glaube als Stimmungsaufheller? Karl Marx zumindest verdächtigt ihn als „Opium des Volkes“. Friedrich Nietzsche dagegen findet ihn nicht so berauschend, die Christen sehen für ihn auch nicht erlöster aus.

Als Seelsorger erlebe ich jedoch immer wieder, dass Christinnen und Christen in Leid und Bedrückung Trost in ihrem Glauben finden und Kraft aus dieser Quelle schöpfen. Denn über unserem zerbrechlichen Leben liegt die Verheißung, dass wir von Gott geliebt und umfangen sind, auch wenn wir ihn nicht vollständig erfassen und begreifen. Mehr noch, dass wir letztlich ganz hineinfallen werden in seine Liebe. „Euer Kummer wird sich in Freude verwandeln“, heißt es im Johannes-Evangelium (16, 20). Und aus einem frommen Beter im Alten Testament bricht es dankbar heraus: „Du hast meine Klage in einen Reigen verwandelt, mir das Trauergewand ausgezogen und mich mit Freude umgürtet“ (Psalm 30, 12).

Christgläubig oder auch nicht – wir dürfen zu unserer Schwermut stehen und sie zulassen, sie gehört zu uns wie die Fröhlichkeit. Wer aber niedergedrückt, traurig, gebeugt ist, sollte Trost, Verständnis und Zuwendung erfahren. Haben wir daher acht aufeinander!

Im Übrigen: Um die Pop-Musiker ist mir nicht bang. Gerade die Moll-Tonarten können   die Seele besonders zärtlich streicheln und eine tröstende Kraft entfalten.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16750
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