Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Einmal werden wir noch wach… Gott, wie kann sich die Zeit doch ziehen! Wenn man auf etwas wartet. Und wenn man ein Kind ist und noch ein ganz anderes Zeitgefühl hat als wir Erwachsenen. Gerade die letzten Tage vor Weihnachten, gerade die Zeit, die den Großen viel zu schnell vergeht, weil sie darin noch so viel unterbringen müssen, gerade diese Tage haben sich in der Kindheit gezogen wie Kaugummi.

Bis heute gehört Warten nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Schlange stehen geht ja noch, da gibt‘s meistens was zu sehen und zu hören und man kann sich ganz gut ablenken. Schwierig finde ich’s, wenn ich am Telefon in einer Warteschleife lande. Es ist nicht nur das ständig wiederholte Bitte warten – Bitte warten in diesem seltsamen Ton, das mich nervt. Viel mehr stört mich die Situation. Ich soll einfach abwarten, bis ich dran bin. Das kann in ein paar Sekunden sein oder in einer halben Stunde, wenn ich bis dahin nicht schon längst aufgelegt habe.

Bitte warten, sagt die monotone Stimme am Telefon. Ich verliere schon die Geduld, wenn ich das nur höre. Und dann sagt die Stimme vom Band auch noch: Please hold the line. Ich stutze, denn das ist nicht nur englisch, das heißt auch was anderes: Bitte, bleiben Sie dran. Halten Sie Verbindung. Das klingt nicht nur freundlicher als das unpersönliche Bitte warten. Es motiviert mich regelrecht. Ich muss nicht nur da sitzen und warten. Ich soll meinen inneren Spannungsbogen aufrecht erhalten. Ich bleibe dran. Die Zeit, die vergeht, ist nicht leer, nicht wie ein Funkloch, durch das ich jetzt halt durch muss.

„Seid wie Knechte, die ihren Herrn erwarten, wenn er spät in der Nacht von einem Fest heimkehrt“, sagt Jesus einmal zu seinen Freunden. Ich höre da: Lass dich nicht einschläfern, bleib dran, bleib wach, damit du mitkriegst, was um dich her so alles geschieht. Dieses aktive Warten gehört zum Advent. Ich soll da sein, präsent bleiben, denn schließlich erwarte ich ja nicht weniger als dass Gott kommt. Wenn ich so warte und Augen und Ohren und Herz und Verstand wirklich aufmache, dann merke ich vielleicht sogar, dass er bereits da ist und ich hab’s nur noch nicht bemerkt.

Please hold the line! – Bitte, bleiben Sie dran!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16733
weiterlesen...