Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Ich beneide Sie“, hat neulich ein Mann zu mir gesagt. „Warum?“, hab ich ihn zurück gefragt. „Weil Sie Pfarrer sind und einen Kirchenschlüssel haben“, hat er geantwortet. „Da können Sie, wann immer Sie wollen, zum Beten in die Kirche gehen“. Ich war etwas erstaunt. „Beten kann ich doch auch zu Hause. Dafür muss ich doch nicht in die Kirche“, dachte ich. Er hat mir das wohl angesehen. „Das macht wirklich einen Unterschied“, hat er gesagt. Also hab ich es ausprobiert. Ich bin abends mit meinem Kirchenschlüssel in die leere Kirche und habe vor dem Altar und dem Kreuz mit Gott geredet. Ein bisschen bin ich mir vorgekommen wie Don Camillo in den alten Schwarzweiß-Filmen. Jesus hat mir zwar nicht geantwortet, jedenfalls nicht so, dass ich seine Stimme hören konnte, wie das bei Don Camillo immer war, aber es war tatsächlich anders.
Nicht dass Sie mich falsch verstehen. Natürlich bin ich der Meinung, dass man an jedem Ort und zu jeder Zeit beten kann. Ich mache das normalerweise abends im Bett oder an meinem Schreibtisch. Aber diese Zeit in der Kirche war anders. Konzentrierter, stiller, nichts hat mich abgelenkt oder an etwas erinnert, das ich noch dringend erledigen muss. Ich habe mich Gott sehr nahe gefühlt.
Auch Jesus hat ab und zu einen besonderen Ort zum Beten ausgesucht. Und das obwohl Jesus eigentlich ständig gebetet hat. Egal was er tat oder wo er war, er stand immer in Verbindung mit Gott, seinem Vater. Viele Sätze, die Jesus zu seinen Jüngern oder anderen Menschen gesagt hat, beginnen mit den Worten „Amen, Amen, ich sage euch“. Mit Amen – übersetzt heißt das „so sei es“ – endet eigentlich ein Gebet. Bevor Jesus zu den Menschen geredet hat, hat er also im Stillen mit seinem Vater geredet“.
Aber obwohl Jesus überall mit Gott im Gespräch war, hat er sich doch auch immer wieder an einen besonderen Ort zurückgezogen um mit seinem Vater zu sprechen. „Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten“, heißt es beispielsweise im Matthäusevangelium (Matthäus 14,23).
Viele Menschen beten, jedenfalls zeigen das Umfragen immer wieder. Wenn Sie dazu gehören, lade ich Sie ein, das auch einmal an einem besonderen Ort zu tun. Vielleicht machen Sie ja eine ähnliche Erfahrung wie ich. Leider viele Kirche meistens abgeschlossen. Das ist so, weil offene Kirchen manchmal beschädigt oder ausgeraubt werden, wenn man sie nicht beaufsichtigt. Anders sieht das in großen Städten oder an vielen Urlaubzielen aus, dort stehen die Kirchen zum Gebet meistens offen, weil jemand da ist, der nach dem Rechten schaut.
Die Ferienzeit kommt, vielleicht finden Sie ja da die Zeit und so einen besonderen Ort, um zu beten.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=1671
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