Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Ich reg‘ mich nur noch über Dinge auf, die ich ändern kann. Was ich nicht ändern kann, darüber brauche ich mich auch nicht aufzuregen.“  Das sagt einer meiner Kollegen. Er ist gerade 80 Jahre geworden und schon lange im Ruhestand. Ich habe immer gefunden, dass er mir als jüngerer Kollegin damit etwas mitgibt aus seiner Lebenserfahrung. Und dass ich gut daran tue, mir wenigstens ab und zu eine Scheibe davon abzuschneiden.
Zum Beispiel heute. Irgendwann  im Laufe des Tages, werde ich meinen Terminkalender von 2013 nochmal durchschauen. Und mit den Terminen, die ich da notiert habe, fällt mir dann auch wieder ein, was an diesem Tag geschehen ist.
An dem einen Tag, da war ein wichtiges Gespräch. Aber es ist schlecht gelaufen. Ich hätte es besser machen können, finde ich. Aber kann ich es ändern? Nein. Jetzt nicht mehr.
An dem anderen Tag, da kam eines  meiner Kinder mit einer schlechten Note in der Klassenarbeit nach Hause. Und am Abend gab es deshalb eine richtig heftige Auseinandersetzung. Hätte das wirklich sein müssen? Nicht unbedingt. Aber ändern kann ich es jetzt auch nicht mehr.
Oder der blöde Campingplatz im Urlaub, viel zu laut und viel zu voll. Und dann die Autopanne beim Heimweg , so lästig und die Reparatur schrecklich teuer.  Alles Schnee von gestern. Nicht mehr zu ändern. Es macht einfach keinen Sinn, sich noch länger darüber aufzuregen.
Anders geht es mir mit den Jahresrückblicken im Fernsehen oder in den Zeitungen. An einem Vulkanausbruch kann ich nichts ändern. Aber daran, dass die Ozonschicht um die Erde schmilzt, weil wir CO2 und Metangas ohne Ende produzieren. Darüber will ich mich auch weiter aufregen im neuen Jahr, weil ich ja etwas dagegen tun kann.
Und dass die deutsche Chemieindustrie chemische Waffen produziert, die dann irgendwo auf der Welt, Kinder, Frauen und Männer töten – das ist doch zu ändern! Darüber muss man sich doch aufregen!
Nicht aufregen über das, was ich nicht ändern kann. Aber weiter aufregen über das, was ich ändern kann. Für das eine brauche ich Geduld. Für das andere Kraft und Ausdauer.
 Ich weiß,  dass ich die nicht nur in mir selbst finden kann. Jedenfalls nicht genug. Deshalb gehe ich heute Abend in die Kirche, um im Gottesdienst ein ganz bestimmtes Lied zu singen. Es ist mein Silvestergebet. Mit diesem Lied lasse ich die Dinge los, die ich nicht ändern kann. Und ich bitte um die Kraft, mich im neuen Jahr für das einzusetzen, was ich ändern kann. Und sei es auch nur mit einem ganz kleinen Beitrag. Das Lied heißt: „Gott, der du die Zeit in Händen hast, so nimm auch dieses Jahres Last und wandle sie in Segen.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16694
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