Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Nachdem ich ihn kennen gelernt hatte, war ich ein halbes Jahr glücklich“, sagte neulich eine Frau im Fernsehen. Sie meinte damit nicht ihren Freund oder Mann. Das Thema der Talkshow war Gott. Die Frau erzählte, wie sie vor vielen Jahren angefangen hatte an Gott zu glauben und Christin geworden war. Vorher hatte sie Esoterik-Bücher ins Deutsche übersetzt. Doch diesen Beruf musste sie an den Nagel hängen, denn „Gott wurde für mich unwiderstehlich“, sagte sie und er sei es bis heute geblieben.
„Er oder sie ist unwiderstehlich“, so reden eigentlich nur Verliebte voneinander. Komisch, dass jemand so von Gott redet, oder? Das klingt fast ein Bisschen peinlich. Aber wenn ich in die Bibel schaue, dann wird dort der Glaube an Gott ganz oft mit einer Liebesbeziehung verglichen. „Ich will mich mit dir verloben“, sagt Gott zu den Menschen beim Propheten Hosea. Und das Hohelied - ein erotisches Gedicht, in dem zwei Verliebte voneinander schwärmen - ist nur deshalb in unserer Bibel gelandet, weil manche dachten, dass hier von Gott und seinem Volk die Rede sei.
Der Glaube und die Liebe sind sich offenbar zum Verwechseln ähnlich. Wenn Musiker wie Xavier Naidoo oder Laith al Deen von Gott singen, meinen viele Menschen, es ginge um ihre Freundinnen. Textzeilen wie „Sie ist nicht von dieser Welt, die Liebe, die mich am Leben hält“ oder „Alles an dir macht mich so reich“, hören sich ja auch wirklich so an.
Ich denke, dass es tatsächlich keine bessere Antwort auf die Frage „Was ist der Glaube?“ gibt als: eine Liebesbeziehung zu Gott. Der Glaube bringt nicht zuerst eine Sache, wie beispielsweise Werte, Orientierung oder einen Sinn im Leben. Das alles bringt der Glaube auch, aber zuallererst bringt er eine Person: Gott. Einem Menschen, der an Gott glaubt, dem gibt Gott nicht etwas, sondern er gibt sich selbst.
Ich bin von Gott geliebt, das macht mich froh. Das gibt Kraft und trägt. In seiner Nähe fühle ich mich wohl, geborgen, da ist es einfach gut. Ein Leben ohne ihn kann ich mir gar nicht mehr vorstellen.
In seinem Buch „Jesus von Nazareth“, fragt Joseph Razinger oder jetzt Papst Benedikt der XVI. an einer Stelle: „Wovon lebt der Mensch?“ Und er gibt als Antwort: „vom Geliebtsein (…) er braucht im Tiefsten vor allem (…) die Liebe, Gott selber“ (S. 323f). Deshalb reden manche Menschen von Gott wie von einem geliebten Menschen und deshalb finden sie ihn so unwiderstehlich.

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