Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Schule, Schule, Schule!“, hat sich neulich eine Schülerin bei mir beklagt - richtig zornig und den Tränen nahe. Und dann hat sie erzählt: Wie viele Klassenarbeiten sie noch schreiben muss vor Weihnachten und wie die meisten ihrer Tage komplett ausgefüllt sind mit Unterricht, Hausaufgaben, Referate vorbereiten und Büffeln für Klassenarbeiten. Selbst wenn sie mit ihren Freunden per Handy und SMS Nachrichten austauscht, geht es dabei oft darum, was in der nächsten Arbeit dran kommt und welche Hausaufgaben auf waren.
Als sie das so erzählt hat, habe ich darüber nachgedacht, wie das bei mir früher war. Ich habe mich erinnert: Schule war zwar schon wichtig und hat auch einen großen Teil meiner Zeit eingenommen. Aber da gab es noch meine Band, den Schwimmverein und den Jugendkreis von der Kirche. Das alles hat irgendwie funktioniert. Und auf meiner persönlichen Rangliste der wichtigen Dinge im Leben wäre die Schule vielleicht unter die Top Ten gekommen, aber sicher nicht auf einen der ersten drei Plätze.
Solche Schüler gibt es auch noch heute, und ganz sicher steht die Schule bei manch einem auch zu weit hinten auf der Prioritätenliste. Aber ich habe das Gefühl, es gibt immer mehr Schülerinnen und Schüler, bei denen das Lernen und die Noten einen zu großen Raum einnehmen. Sie haben fast kein Leben mehr außerhalb der Schule.
Ich finde, solche Kinder brauchen dringend einen Ausgleich. Und Eltern oder auch Großeltern können sie dabei unterstützen. Etwa indem sie ihr Kinder ermutigen, ein Hobby anzufangen und das dann auch wichtig zu nehmen. Das bedeutet dann beispielsweise auch, dass ich mein Kind ins Vereinstraining schicke, obwohl am nächsten Tage eine Klassenarbeit ansteht. Es könnte sein, dass diese Auszeit den Kopf frei macht und mein Kind sogar entspannter in die Klassenarbeit geht. Eine erfahrene Tischtennistrainerin hat mir jedenfalls neulich gesagt: Die Kinder, die regelmäßig zu ihr ins Training kommen, sind auch gut in der Schule. - Oder man kann büffel-freie Zeiten festlegen. Ab einer bestimmten Uhrzeit wird abends nicht mehr gelernt, auch wenn die Vokabeln noch nicht ganz so gut sitzen. Und wenn der Test dann mal nicht so gut wird, ist das auch kein Weltuntergang.
Ich denke, es geht darum, Grenzen zu ziehen: Hier fängt Schule an, ist wichtig und hat viel Raum, aber da hört sie dann auch wieder auf, und es ist Zeit für andere Dinge. Bald kommen die Weihnachtsferien, für manche Schülerinnen und Schüler sind sie wie eine Insel. Eigentlich wäre es doch besser, es gäbe nicht nur diese großen Ferien-Inseln sondern auch viele kleine, mitten im Schulalltag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16618
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