Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Der Nikolaus war vermutlich ein Grieche – vielleicht auch ein Türke. Er war Bischof in Myra, das lag ungefähr dort, wo heute der Badeort Antalya ist. Im dritten und vierten Jahrhundert, zur Zeit des Nikolaus, lebten dort Menschen aus vielen Völkern nebeneinander, die meisten waren Griechen.
Der Bischof Nikolaus war anscheinend ein vernünftiger Mann. Schon zu seiner Zeit hatte die Kirche Schätze und Reichtümer. Bischof Nikolaus aber fand offensichtlich die Menschen wichtiger als die Schätze in seiner Kirche. Darüber werden viele Geschichten von ihm erzählt. Zum Beispiel hat er während einer Hungersnot mit den Schätzen der Kirche Korn für die Bedürftigen gekauft. Und einer armen Familie hat er Geld gegeben für die Ausstattung der Töchter, damit die verheiratet werden konnten und sich nicht prostituieren mussten. Wenn auch nur einige der Geschichten von Nikolaus ungefähr stimmen, dann war er ein Vorläufer der Kirchenleute, die heute wieder sagen: Die Kirche muss für die Menschen sorgen, nicht mit Gold und Prunk sich selber darstellen.
Am 6. Dezember erinnern wir die Kinder an diesen Mann. Sie stellen über Nacht ihre Schuhe raus und finden am Morgen dann Süßigkeiten darin. So wie nach der Legende damals die armen Mädchen Geld für ihre Aussteuer gefunden haben.
Meine Kinder haben früher auch ihre Schuhe vor die Tür gestellt. Heute lächeln sie darüber und meine kritischen Söhne fragen: „Und was hat das mit Weihnachten zu tun? Das haben sich doch bloß die Geschäftsleute ausgedacht, damit sie mehr Süßigkeiten verkaufen“.
Es ist wahr. Mit der Geburt von Jesus hat das nichts zu tun. Aber mit dem erwachsenen Jesus eine ganze Menge. Der hat, als einmal viele hungernde Menschen vor ihm standen, zu seinen Anhängern gesagt: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Dann haben sie geteilt, was da war, und alle sind satt geworden.
„Gebt ihr ihnen zu essen!“ Die Geschichten erzählen, dass der Bischof Nikolaus genau das getan hat. Ich finde deshalb: Die Kinder sollen ruhig ihre Schuhe rausstellen. Aber wir sollten ihnen auch erzählen. Nicht von dem Mann im roten Mantel mit dem Sack auf der Schulter, der mit Hohoho „drauß vom Walde“ herkommt, als ob er ein Kumpan wäre vom Räuber Hotzenplotz. Aber wir sollten den Kindern von dem Bischof aus Myra erzählen, der getan hat, was er konnte, um die Armen satt zu machen. Der zwar nicht Marzipan und Schokolade verteilt hat, aber Korn und Brot.
Ich finde, das hat sehr viel mit Weihnachten zu tun. Und dass der Nikolaus wahrscheinlich ein Grieche war, der den Bedürftigen seiner Zeit geholfen hat – auch das sollten die Kinder erfahren.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16517
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