Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Ein Mann hat mir eine E-Mail geschrieben mit Fragen, die wahrscheinlich viele haben. Er schreibt:
„Ist es wirklich so einfach mit dem Glauben? Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass es so ist? Was ist mit den Menschen, die andere Erfahrungen gemacht haben, die nicht mehr glauben können? Woher sollen sie die Zuversicht nehmen?
Ich weiß, dass diese Fragen nicht neu sind“, schreibt er weiter, und dann: „Ich würde gern vertrauen und hoffen und lieben, mich über den Sonnenaufgang freuen, so viel Glauben besitzen wie Sie, so viel Zuversicht. Doch ich finde kein Vertrauen. Die Zweifel werden nicht schwächer“.
Ich finde es schön dass dieser Mann so schreibt und nicht einfach sagt: Glauben – das ist nichts für mich. Und ganz spontan ist mir ein Lied eingefallen, das wir Christen jetzt in der Adventszeit gern singen. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit. Es kommt der Herr der Herrlichkeit.“ So fängt es an. Mir sagt dieses Lied: Versuch es mal anders als sonst. Lass Gott rein.  Wenigstens versuchsweise. Schau doch einfach mal, wo du ihn entdecken kannst.
Solche Fragen wie dieser Mann, die habe die auch. Ich sehe auch das Elend in der Welt und die Kinder, die niemand lieb hat. Ich frage mich auch, warum lässt Gott das zu? Und ich weiß keine Antwort auf diese Fragen. Diese Welt ist nicht das Paradies – leider. Und deshalb passieren Dinge, die schrecklich sind und die ich nicht verstehen kann und die ich auch nicht verstehen will.
Aber ich spüre eben auch das andere. Ich spüre, dass Menschen mich lieben – und dass mir das Kraft gibt fröhlich zu sein und immer wieder aufzustehen, wenn die Fragen mich niederdrücken. Ich kann selber lieben – und ich erlebe, wie mich das glücklich macht, wenn ich für andere da sein kann. Ich meine immer, da rührt Gott mich an und hilft mir wieder auf, wenn ich traurig bin, weil die Welt so ist, wie sie ist. Und ich hoffe sehr, dass er auch weiter für mich da sein wird, wenn ich ihn brauche. Und ich bete, dass er denen jemanden schickt, die Hilfe brauchen und Trost und Beistand.
Gott sei Dank gibt es Menschen, die mich ab und zu daran erinnern, dass Gott mir nah ist. Und manchmal bitte ich ihn selbst, mit den Worten von „Macht hoch die Tür“: „Komm o mein Heiland Jesus Christ, meins Herzens Tür die offen ist. Ach zieh mit deiner Gnade ein. Dein Freundlichkeit auch uns erschein“
Manchmal hilft mir das, wenn ich nur noch das Dunkle sehe. Und für den Mann, der Gott nicht vertrauen kann, für den hoffe ich sehr, dass er auch mal bitten kann, und nicht nur fragen. Manchmal ist bitte sagen der erste Schritt, dass man offener wird für Gott. Dann kann er kommen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16516
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