Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Es ist jedes Jahr dasselbe. Kaum werden die Tage kühler, da rollt sie auch schon heran, die erste Erkältungswelle des Winters. Wo man geht und steht kann man sich jetzt anstecken, wo man auch hinkommt, die Viren sind schon da. Und auf einmal sind die Zeitung und auch das Internet voll von Tipps, was man in solchen Zeiten tun und was man lassen soll. Bei der Begrüßung keinen Handschlag, gründlich die Hände waschen, Menschenansammlungen meiden. Stattdessen soll man sich viel im Freien bewegen, jeder schwört da so auf seine Rezepte und Hausmittel, Vitamine, Tröpfchen, Kügelchen. Und natürlich: die Grippeschutzimpfung. Und am wirksamsten beugt man Infekten dadurch vor, dass man für gute Abwehrkräfte sorgt.

 Ich glaube, es gibt auch Infekte, die sich auf den Geist und auf die Seele legen und sich dort von Mensch zu Mensch wie eine Epidemie ausbreiten. Auch da gibt es so was wie Viren, die überall lauern und sofort zuschlagen, wenn wir mal kurz schwächeln. Eines dieser hinterhältigen Gedankenviren heißt: Ausländer bedrohen unsere Kultur. Ein anderes, ein Seelenvirus, heißt: Alle anderen haben es leichter als ich. Oder auch: Ich muss perfekt sein.

 Zu solchen geistigen Viren gehört, dass sie, einmal in der Luft, sich rasend schnell vermehren, in unsere Gedanken eindringen und unser Denken für sich arbeiten lassen – ganz so, wie man es von Virusinfekten kennt.

 Zum Glück kann ich auch da die Abwehrkräfte trainieren. Ich kann solchen lauten oder leisen Angriffen nicht aus dem Weg gehen, aber ich kann eben auch hier mein Immunsystem stärken. Ich kann mir sozusagen einen Vorrat an Gedanken anlegen, die mich in solchen Situationen stark machen und immun gegen den Angriff dieser fiesen kleinen Gedankenviren. Meine stärksten Sätze heißen: Für mich ist gesorgt, alles, was ich wirklich brauche, werde ich auch künftig bekommen. Oder: Ich darf sein, wer ich bin und wie ich bin. Und alle anderen auch. Ich darf sein – nicht, will ich so toll wäre, sondern aus dem einzigen Grund, weil Gott will, dass ich bin. 
 Wenn ich das nicht vergesse, dann habe ich einen guten Stand und werde nicht gleich von jedem Zweifel oder Frust umgeworfen. Und das gibt mir auch einen gewissen Immunschutz gegen mancherlei ‚Infekte der Seele‘, die in der Luft liegen und sich bei mir einnisten wollen.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16484
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