Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Sie müssen wissen“, hat die Frau beim Beerdigungsgespräch gesagt, „an ein Leben nach dem Tod konnte mein Mann nie so recht glauben und an manch anderes auch nicht. Aber aus der Kirche ist er nicht ausgetreten. An Gott hat er geglaubt, aber er hat sich doch oft gefragt: Gehöre ich eigentlich noch dazu? Bin ich noch ein Christ oder bin ich keiner mehr?“
Es ist die alte Frage: Wann ist ein Christ ein Christ? Und was macht einen Christen eigentlich aus? Da wäre eine Prüfliste praktisch, die man abhaken könnte – ein Glaubens-TÜV quasi.
Tatsächlich gibt es unter uns Christen Menschen, die einen solchen Glaubens-TÜV im Kopf haben, die genau wissen, wie man als Christ zu sein, was man zu glauben und wie man zu leben hat.
Wahrscheinlich würde ich durch diesen „Glaubens-TÜV“ glatt durchfallen – wegen zu vieler Mängel, zu vieler Lebensbrüche, zu vieler Anfragen. Aber zum Glück verlangt Gott einen solchen Glaubens-TÜV auch gar nicht von mir!
Jesus hat gesagt: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen!“ Ich finde, das ist ein schönes Bild dafür, dass alle Menschen bei Gott willkommen sind – in seinem Reich am Ende der Welt und jetzt schon.
Die Gemeinschaft der Christinnen und Christen in einem Haus: riesengroß und trotzdem heimelig ist dieses Haus, mit vielen Ein- und Ausgängen und offenen Türen. Eine Einlasskontrolle findet nicht statt. Jeder ist herzlich willkommen. Eine bunte Vielfalt gibt es in diesem Haus. Und auch, wenn’s nicht allen Mitbewohnern gefällt: In Gottes Augen sind alle Bewohner genauso wichtig, genauso wertvoll und genauso liebenswert wie alle anderen.
Wahrscheinlich lebt jeder der Bewohner in diesem Haus seinen Glauben auf seine ganz besondere Weise, aber jeder hat Vertrauen zu Gott, mal mehr, mal weniger, mal ganz fest, mal eher zweifelnd. Das ist das verbindende Band in diesem Haus. Und dieses Vertrauen auf Gott ist das, was einen Christen ausmacht – nicht mehr und nicht weniger, daran glaube ich sicher.
Natürlich sollen sich Christen auch bemühen, vor Gott und den Menschen verantwortlich und gut zu leben. Aber dafür braucht es keine Prüfliste, keinen Glaubens-TÜV. Das kommt automatisch aus dem Gottvertrauen: sponte et hilariter, sagt Martin Luther, spontan und fröhlich.
Voller Vielfalt und Lebendigkeit und zusammengehalten durch das Vertrauen zu Gott – so ist für mich das Haus Gottes. Ich würde mir wünschen, dass so auch unsere Kirchen wären. Aber ich glaube: das braucht noch ein bisschen Arbeit. Aber, wenn viele, die sich in Gottes Haus zu Hause fühlen, in die Hände spucken und mitanpacken, dann können wir es schaffen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16347
weiterlesen...