Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Die Braut trägt Creme. Schließlich ist es ihre zweite Hochzeit. Schon vor Jahren hatte sie einem Mann das Versprechen gegeben: Wir bleiben beieinander … mit Gottes Hilfe. Und dann blieb die Liebe auf der Strecke, die Beziehung zerbrach. Kein Einzelfall heutzutage. Fast jede 2. Ehe geht in die Brüche. Kein Wunder, dass mittlerweile viele Menschen zögern, den Bund fürs Leben zu schließen. Viele wünschen sich zwar eine dauerhafte Beziehung, aber die Angst zu scheitern ist anscheinend größer.
Und auch sonst hat sich unsere Gesellschaft verändert: Mittlerweile gibt es bei uns über 8 Millionen Allein­erziehende, meist Frauen. Und wenn die Braut in Creme jetzt wieder heiratet, dann haben ihre Kinder 2 Väter und Mütter: Patchworkfamilie nennt man das.
Dieser Ehe- und Familienrealität hat sich der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland gestellt. Mit einer Orientierungshilfe will die EKD die Familie stärken. Als Ort, wo Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Und das gilt eben nicht nur für die klassische Mutter-Vater-Kind-Familie, sondern genauso für Patchworkfamilien, Alleinerziehende und Singles. Und es gilt für heterosexuelle wie für gleichgeschlechtliche Paare.
Ich finde es gut, dass die EKD das im Sommer so klar benannt hat, auch wenn sie dafür viel Kritik einstecken musste. Denn ich finde: unsere Kirchen könnten mehr tun, damit sich Menschen mit ganz verschiedenen Lebensformen bei uns wohlfühlen.
Es ist doch auffällig, dass alleinerziehende Mütter viel seltener ihre Kinder taufen lassen als verheiratete Paare. Sicherlich wünschen auch sie sich für ihr Kind den Segen Gottes. Aber sie sind unsicher, ob sie mit ihrer Lebensform in der Kirche willkommen sind. Und diese Frage stellen sich auch geschiedene Menschen, vor allem in der katholischen Kirche, und Menschen, die in homosexuellen Partnerschaften leben.
Wie gesagt: ich glaube, da sollte Kirche mehr darauf achten, wie Menschen heute leben. Jesus hat uns das vorgelebt: Er war auf ganz unterschiedliche Weise für ganz verschiedene Menschen da.
Und wenn Kirche in dieser Hinsicht offener wird, heißt das ja noch lange nicht, dass sie an Profil verliert – im Gegenteil, finde ich. Denn ich wünsche mir beides von meiner evangelischen Kirche: dass sie die vielfältigen Lebensformen achtet, in denen Menschen heute leben, und dass sie trotzdem Mut macht und dafür wirbt, dass wieder mehr Menschen sich für eine verlässliche Partnerschaft, für eine Ehe entscheiden. Weil es gut ist, wenn zwei Menschen ein Leben lang füreinander da sind. Weil darauf Gottes guter Segen liegt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16344
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