Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wie mit dem Tod leben?

Heute ist Allerseelen, der katholische Gedenktag für die Toten. Als Gemeindepfarrer hatte ich sehr viel mit dem Tod zu tun. In den zurück liegenden vierzehn Jahren ist keine Woche vergangen, manchmal kein Tag ohne dieses Thema. Vor allem mit Menschen, die gerade einen Freund, ihren Partner oder ein Kind verloren hatten, habe ich lange Gespräche geführt.

Einmal ist mir in der Hl. Messe ein älteres Ehepaar aufgefallen. Sie saßen relativ weit vorne in der Kirche, und sie waren sichtlich verzweifelt. Die Frau hat mit den Tränen gerungen und konnte vor innerer Bewegung nicht ruhig sitzen. Der Mann hat sie festgehalten und sich bemüht, die Fassung zu bewahren. Trotzdem hat sich ihre Aufgewühltheit und Not bis zu mir an den Altar übertragen, und ich bin schließlich froh gewesen, als der Gottesdienst zu Ende war. Im Anschluss kamen sie in die Sakristei und haben mich um ein Gespräch gebeten. Und als wir in meinem Büro waren, ist es aus ihnen heraus gebrochen: Ihr Sohn, um die dreißig Jahre, ist in den Bergen verunglückt. Zusammen mit einer Kollegin. Beide sind tot. Gestern haben sie es erfahren. Aber sie können es nicht glauben, geschweige denn verstehen. Warum? Und was bedeutet das jetzt? Noch so jung, das Leben noch vor sich ...

Wie leben mit dem Tod

Das Leben. Der Tod. Die Fragen. Ich weiß auf sie auch keine Antwort. Ich verstehe kaum etwas. Ich weiß nur, dass der Tod unausweichlich ist. Für jeden von uns. Für alle. Und ich weiß, dass es davor Leben gibt, unterschiedlich lang und intensiv. Und ich hoffe auf ein Leben danach. Ein Leben für alle.

Mit dem älteren Ehepaar habe ich mich viele Male getroffen. Auch nach der Beerdigung sind wir in Kontakt geblieben. Im Laufe der Zeit hat sich dabei der Schwerpunkt unserer Gespräche verlagert. Der Tod ist immer ein Thema geblieben. Klar. Aber mehr und mehr habe ich auch vom Leben ihres Sohnes erfahren, von seinem Glück, seinen Begabungen, von den Schönheiten seiner dreißig Lebensjahre. Das hat seinen trauernden Eltern gut getan. Und mir auch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16317
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