Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Über ein Jubiläum, das keinen Anlass zum Feiern gibt.

Dieser Satz hat es in sich. Und er steht – kaum zu glauben – in einem offiziellen Papier der Katholischen Kirche, nämlich in einer Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es geht dort um das Verhältnis von Christen und Nichtchristen, und damit um die Frage, wie die Kirche mit anderen Religionen umgeht.

Wir können Gott nicht anrufen, wenn wir irgendwelchen Menschen die brüderliche Haltung verweigern.

Nur selten wird so direkt ein Zusammenhang zwischen Glaube und Mitmenschlichkeit hergestellt. Aber hier ist es so, dass das eine ohne das andere gar nicht denkbar ist. Wer respektlos mit anderen umgeht, der kann nicht glauben, der kann Gott nicht für sich in Anspruch nehmen.Das hat Konsequenzen, und die formuliert der Text folgendermaßen: Die Katholische Kirche lehnt nichts von dem ab, was in (den anderen) Religionen wahr und heilig ist.

Bei Begriffen von solchem Format muss ich aufpassen, dass ich sie ernst genug nehme. Wahr und heilig, brüderlich. Das klingt sehr edel und idealistisch. Ich kann mir fast nicht vorstellen, wie das wahr werden soll. Weil meine Kirche doch sonst so darauf bedacht ist, sich gegen andere abzugrenzen. Gerade deshalb ist es gut, solche Texte zu kennen, wenn in Zukunft wieder jemand auf die Idee kommt, das Heil im Rückzug auf die eigenen vier Wände zu suchen. Denn hier wird Respekt gefordert, Interesse an dem, wie andere es machen. Von einer sympathischen Demut ist diese Erklärung geprägt. Und dafür ist es höchste Zeit.

Was wollten die Bischöfe und Theologen uns seinerzeit in den sechziger Jahren mit auf den Weg geben? Ich verstehe sie so: (1) Gott hat unsere Welt geschaffen; sie ist unterschiedlich, aber ein Ganzes. (2) Deshalb tragen alle Menschen Gottes Wahrheit in sich. (3) Das wiederum verlangt ein weites Herz. In diesen drei kleinen Punkten bündelt sich das Fundament des Glaubens, der Religion. Das ist so einfach und doch wunderbar. Und es würde vieles verhindern, was unser Zusammenleben oft schwer macht.

Am 28. Oktober 1965 wurde die Erklärung beschlossen. Heute auf den Tag vor 48 Jahre. Was die Zahlen angeht, kein Grund zum Feiern. Aber was den Inhalt angeht, meine ich, mehr als genug!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16313
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