Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Wes' das Herz voll ist, des' geht der Mund über" - so lautet ein Sprichwort, das ursprünglich aus der Bibel stammt. Allerdings steht es dort in einem anderen Zusammenhang, als wir es heute verwenden. Ich jedenfalls kenne das Wort im Zusammenhang mit Begeisterung: Jemand ist voll von etwas, das er erlebt hat oder voll von etwas, wovon er überzeugt ist, und das muss er loswerden. 

Das gilt sicher auch von den vier Evangelisten im Neuen Testament, darunter Lukas, dessen Gedenktag heute begangen wird. „Evangelium" heißt: „Frohe Botschaft", und gerade frohe Botschaften möchte man nicht für sich behalten. Sie rühren einen innerlich an - das Herz ist dann in der Tat ganz voll. So lese ich in den Evangelien, etwa am Ende der Erzählung von der Heilung eines Gelähmten: „Da gerieten alle außer sich; sie priesen Gott und sagten: So etwas haben wir noch nicht gesehen" (Markus-Evangelium 2,12). 

Was mich an diesem Satz berührt, ist: Sie preisen Gott. Das, glaube ich, wollen die Evangelien auch bewirken: Dass ich mit in diesen Chor derer einstimme, die Gott preisen. Nicht nur, weil da irgendjemand geheilt wurde. Sondern weil solche Heilungsgeschichten mir sagen können: Auch du kannst bei Gott Heilung finden. Vielleicht ist das bei mir ja auch schon der Fall gewesen. Oder es setzt sich bei mir innerlich fest, sodass in mir das Vertrauen wachsen kann, dann Heilung zu finden, wenn es einmal nötig ist. Auch das klingt in den Evangelien an: „Jesu Ruf", heißt es am Ende einer anderen Heilungsgeschichte, „verbreitete sich immer mehr, sodass die Menschen von überall herbeiströmten. Sie alle wollten ihn hören und von ihren Krankheiten geheilt werden" (Lukas-Evangelium 5,15). Wenn wir in unserer Kirche in Stuttgart das Sakrament der Krankensalbung feiern, spüre ich etwas von diesen Worten, weil an solchen Sonntagen auch andere kommen als sonst.

Ähnlich ist das bei uns immer am letzten Sonntag des Monats, dann, wenn die Geldbeutel leer sind: Da füllt sich unsere Kirche mit zahlreichen armen und einsamen Menschen. Sie sind eingeladen zum „Vespern": Vesper im doppelten Sinn des Wortes: Zuerst wird ein kurzes Abendlob gefeiert und dann wird gemeinsam gevespert. Ein bisschen erinnert das an das Gleichnis vom Festmahl (Lukas-Evangelium 14,15-24): Da fordert der Gastgeber seinen Diener auf, auf die Straßen und Gassen der Stadt zu gehen und die Armen herbeizuholen. Unsere Gemeinde tut das, um ganz praktisch und ganz konkret das Evangelium zu verkünden. Denn: „Wes' das Herz voll ist, des' geht der Mund über."

https://www.kirche-im-swr.de/?m=16220
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