Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Kennen Sie ein schwarzes Schaf? Bestimmt. Unsere Welt ist ja voll davon. In der Politik, in der Wirtschaft, in der Promiszene, im täglichen Leben. Als Jugendliche habe ich mich oft als das schwarze Schaf in meiner Familie gefühlt - wahrscheinlich geht das den meisten Teenies so.
Wissen Sie, woher der Ausdruck kommt: „Schwarzes Schaf"? Ich habe mal nachgelesen und gefunden: Die Redewendung stammt aus dem Alltag der Hirten. Denn dort gibt es eben nicht nur weiße Schafe, sondern hin und wieder auch solche mit schwarzer Wolle. Und diese Tiere sind weniger wert, weil man ihre dunkle Wolle nicht einfärben und deshalb nicht verkaufen kann. Das schwarze Schaf ist so gesehen nichts wert. Und so ist das „Schwarze Schaf" nach und nach zum Inbegriff für einen Menschen geworden, den man nicht haben will, der nicht dazu gehört.
Im Wörterbuch heißt es: „Schwarzes Schaf bezeichnet jemanden, der sich von den anderen Mitgliedern einer Gemeinschaft, besonders einer Familie, negativ unterscheidet."
Das allerdings ist nicht ganz korrekt, finde ich. Denn es ist ja nicht das schwarze Schaf selbst, das gerne anders sein will - die anderen fällen Urteil: „Dich können wir nicht brauchen". Und das ist ein Unterschied.
Jesus hat gerne von Schafen gesprochen, wenn er etwas über uns Menschen erzählen wollte, und von dem Schafhirten, der gut für seine Schafe sorgt - sein Bild für Gott. Aber ein schwarzes Schaf taucht in keiner seiner Geschichten auf. Ich glaube, das heißt: Für Gott gibt es keine schwarzen Schafe. Gott ist in dieser Hinsicht geradezu farbenblind.
Gott schaut nicht: Welches Schaf ist besser, welches ist schlechter? Welches ist ein Außenseiter und welches ist beliebt? Welches mag ich lieber und welches nicht?
Gottes Fürsorge gilt all seinen Schafen, alle sind ihm gleich wichtig. In all ihrer Unterschiedlichkeit dürfen sie sich in seiner Herde tummeln.
Wenn Gott, der Hirte, prüfend auf seine Schafe schaut, dann nicht um sie zu bewerten, sondern um zu schauen: geht es allen gut? Sind noch alle da? Wenn Gott prüfend auf seine Schafe schaut, dann geht es ihm um die geschwächten Tiere, um die, die aus der Herde ausgestoßen wurden, die sich verletzt haben oder die aus anderen Gründen vom Weg abgekommen sind. Darum erzählt Jesus auch keine Geschichte vom schwarzen Schaf, sondern sein Gleichnis vom verlorenen Schaf. Von dem Schaf, das den Anschluss verloren hat, und nach dem Gott, der gute Hirte, voll Sorge sucht, solange bis er es liebevoll in den Arm nehmen und zurücktragen kann.
Denn für Gott ist auch dieses Schaf einmalig, unverzichtbar und wertvoll - so wie wir alle.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15979
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