Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Oje! Schon wieder ein Glas kaputt, zum Glück nur eins von den billigen vom Möbeldiscounter. Aber mein Sohn hat trotzdem geweint, aus Schuldgefühl, vielleicht vor Schreck.
Zum Glück vergeht der Schreck bald, die Scherben werden aufgefegt, alles wieder gut. Es gehört schließ­lich zum Leben dazu, dass mal etwas zu Bruch geht! Und das gilt nicht nur für Geschirr.
Scherben bringen Glück, sagt ein Sprichwort. Wieso eigentlich? Steckt in jedem Bruch etwa eine Chance? Beginnt dann immer etwas Neues, Besseres?
So einfach wie das Sprichwort sagt, ist das nicht. Zumindest nicht bei den Brüchen in meinem Leben. Jemand stirbt, den ich geliebt habe, jemand scheitert im Beruf, eine Ehe zerbricht.
Hier kann ich die Scherben nicht einfach auffegen, wegwerfen und nach vorne blicken. Den Bruch kitten oder den Verlust ersetzen? Leichter gesagt als getan.
Zum Beispiel, wenn eine Ehe in die Brüche geht. Viele bemühen sich am Anfang, die Scherben aufzulesen, die Risse zu kitten oder noch einmal ganz neu anzufangen. Manchmal gelingt das, oft aber auch nicht. Manchmal ist der Riss schon zu tief, sind die Verletzungen zu groß. Irgendwann tun die Wunden nicht mehr ganz so weh, irgendwann können sich viele Menschen sogar für eine neue Liebe öffnen. Vielleicht ist die neue Beziehung dann sogar tiefer, inniger als die alte; vielleicht ist der Mensch stärker und selbstbewusster geworden. Aber vielleicht scheitert er auch erneut und bleibt allein.
Oder: wenn ein geliebter Mensch stirbt. Der Partner, das eigene Kind. Was gibt es da zu kitten? Was gibt es da zu ersetzen?
„Scherben bringen Glück?" - für die großen Lebensbrüche gilt dieses Sprichwort nicht!
Ein Dichter der Bibel sagt: „Gott ist ganz nahe den Menschen, die ein zerbrochenes Herz haben, und er hilft denen, die ihren Lebensmut verloren haben" (Ps 34,19).
Dieser Satz hilft mir mehr als das Sprichwort, das mir Glück im Unglück verspricht. Denn Gott verspricht mir keine Wunder. Er verspricht mir nicht, dass er die Brüche meines Lebens heilt und meinen Schmerz in Glück verwandelt.
Er verspricht mir etwas viel Einfacheres und doch unendlich Tröstliches. Er verspricht mir, dass er für mich da ist: Immer - und ganz besonders in den Momenten, wo etwas kaputt gegangen ist in meinem Leben und ich verzweifelt vor den Scherben stehe.
So kann ich vielleicht - langsam, ganz langsam - mit seiner Hilfe neu lernen, nach vorne zu blicken und mein Leben weiterzuleben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15978
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