Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Guten Morgen! Der Tag ist noch jung. Ich bin aufgestanden, genieße das Frühstück, freue mich am Sonnenschein und auf den vor mir liegenden Tag. Dieser Tag hat es in sich, denn ich habe noch fünfzehn Stunden Zeit, Gutes zu tun. Als Kind lernte ich, jeden Tag „eine gute Tat zu tun". Aber was sind gute Taten? Ich habe eine große Bandbreite an Möglichkeiten: Ich lernte als „Pfadfinder", älteren Menschen in Bus oder Bahn einen Sitzplatz anzubieten, falls alle Plätze belegt sind. Ich weise wegsuchende Menschen die richtige Richtung; ich räume ungefragt im Haushalt den Geschirrspüler ein- oder aus; ich erledige eine schon lang liegengebliebene Arbeit; ich verhalte mich beim Auto fahren so, dass sich niemand über mich ärgern muss und bringe einem geliebten Menschen einen Blumenstrauß oder eine Süßigkeit mit - je nachdem, was ihm gefällt. Es gibt viele Möglichkeiten, um Gutes zu tun.
Doch meist sind dies Situationen, in denen ich dem Menschen, der mir begegnet, wohlgesonnen bin. Ich behandle diejenigen gut und freundlich, die auch mir nichts Böses antun wollen.
Doch Gutes tun geht manchmal auch über solche Zusammenhänge hinaus. Hier wird es für mich richtig schwer, denn ich komme mit meiner „Pfadfinder-Moral" nicht weit. Da gibt es im Neuen Testament folgenden Rat: „Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann" (Römer 12,17). Dieser Satz, der sich so eingängig-flott liest, enthält eine ziemliche Sprengkraft. Denn ich soll nicht nur auf Vergeltung verzichten, sondern gegenüber demjenigen, der mich ärgert, auch noch auf „Gutes bedacht sein". Das erscheint manchmal als kaum durchführbar.
Erlebe ich Ungutes mit einem Menschen, fällt es mir sehr schwer, „ihm gegenüber gute Gedanken zu hegen". Ich würde mich gern rächen und lauere auf Möglichkeiten der Rache. Werde ich beim Autofahren nach einem Überholvorgang geschnitten oder wird mir die Vorfahrt genommen, ärgert mich das sehr. Gern würde ich ebenso aggressiv reagieren. Meist jedoch schimpfe ich nur kurz und laut vor mich hin und hoffe, dass aus solchem Verhalten kein Unfall resultiert. Anschließend versuche ich ruhig weiterzufahren.
Das nehme ich mir für heute vor: Ich möchte auf Gutes bedacht sein - denen gegenüber, die ich mag und auch gegenüber denen, die mich ärgern. Vielleicht könnte beides auch für Sie ein gutes sommerliches Übungsfeld sein. Dann lassen Sie uns heute damit beginnen. Ich wünsche Ihnen einen spannenden Tag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15870
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