Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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 Er gewinnt nicht auf Anhieb die Herzen - er ist voller Widersprüche. Ich spreche von Bernhard von Clairvaux. Er hat im 12. Jahrhundert gelebt. (1090-1153) Heute ist sein Gedenktag. 

Er ist ein innerlich zerrissener Mensch gewesen: liebevoll, sensibel und dann wieder verbissen intolerant und jähzornig - so wird berichtet. Im nächsten Moment ist er zärtlich gewesen zu denen, die er gerade attackiert und mit Worten verletzt hatte. 

Diese Widersprüchlichkeit durchzieht sein ganzes Wirken. Zum einen ist ihm die Reform der verweichlichten Mönchsorden ein Herzensanliegen. Der damals gegründete Zisterzienserorden mit seinem bewusst armen Lebensstil ist seine Heimat geworden. In diesem Geist hat er 65 Klöster gegründet. Für unzählige Menschen aus allen Bevölkerungsschichten ist er Berater, Seelsorger und Ansprechpartner. 

Andererseits hat er sich in die unselige Idee mit den Kreuzzügen verrannt. Was sich als religiös verbrämte Eroberungsaktion von Abenteurern und Geschäftemachern entpuppen sollte - und unvorstellbares Leid und Elend zur Folge hatte. An kaum einer Persönlichkeit des Mittelalters ist die Widersprüchlichkeit und innere Zerrissenheit eines Menschen so erkennbar wie an Bernhard von Clairvaux. 

Auch wenn sich mein Leben längst nicht so dramatisch anhört - die widersprüchlichen Eigenschaften kenne ich auch bei mir. Und ich nehme an, das geht nicht nur mir so. 

Recht freimütig gibt der Apostel Paulus zu, dass er das Gute oft will, dann aber doch nicht tut, und dass er dann nicht das Gute tut, das er eigentlich will, sondern Böses, das er nicht will. (Römer 7,18-19) 

Weil das im Menschen drin steckt, empfiehlt der Theologe Karl Rahner, bescheiden zu sein und vorsichtig im Urteil über andere. Denn oftmals seien wir selbst nur „verhinderte Sünder". 

Bei dieser Selbsterkenntnis tröstet mich die Zusage in der Bibel: „Wenn das Herz uns auch verurteilt - Gott ist größer als unser Herz." ( 1 Johannes 3,20) Diese Zusage macht mir aber auch Mut, mich immer wieder zu bemühen: das Gute nicht nur  zu wollen, sondern auch zu tun.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15861
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