Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Lang ist der Weg durch Vorschriften und Gesetze, kurz aber und wirksam durch das Beispiel" - kluge Worte wie diese hat der Philosoph Seneca gefunden. Er hat vor 2000 Jahren in Rom gelebt, ausgerechnet in der Stadt, die in der Geschichte Europas für das bürgerliche Recht steht - Grundlage auch für unsere Rechtsprechung. 

Diese Rechtsprechung reicht vom Mietrecht über die Steuergesetzgebung und die Straßenverkehrsordnung bis hin zu jener kuriosen Beamtenvorschrift: Der Tod stellt aus versorgungsrechtlicher Sicht die stärkste Form der Dienstunfähigkeit dar. Aja!

Auch das Europäische Recht versucht, den Bürgern bis in die letzten Winkel hinein behilflich zu sein, wie jene irrwitzige Verordnung zeigt: Eine Pizza Napoletana darf maximal 4 Zentimeter dünn sein und einen Durchmesser von höchstens 35 Zentimeter haben. Was die Gesetzesmaschinerie doch für Blüten treiben kann. Auch das Kirchenrecht lässt sich nicht lumpen. Eine Kurz-Darstellung des evangelischen und des katholischen Kirchenrechts umfasst dann doch 400 Seiten. 

Selbstverständlich braucht es Vorschriften und Gesetze, um das Zusammenleben in Gesellschaft und Kirche zu regeln. Nicht immer einfach, bis das jeder einsieht und sich entsprechend verhält. Oft unterbrochen von juristischen Verfahren, weil sich nicht jeder danach richtet oder eine Sache  anders sieht. 

Damit Menschen recht und gut miteinander umgehen - dafür ist der kurze und wirksame Weg doch das Beispiel, wie es Seneca vorschlägt. Das ist gewiss nicht immer einfach, aber es ist der menschlich richtige Weg. Ich denke an Kinder und Jugendliche. Die nehmen uns Erwachsenen doch am ehesten das ab, worum wir uns selbst bemühen. Wenn sie spüren, dass wir glaubwürdig sind. Wenn unser Reden und Tun möglichst zusammenklingt. 

„Lang ist der Weg durch Vorschriften und Gesetze, kurz aber und wirksam durch das Beispiel" - mit seiner Einsicht befindet sich Seneca in guter Gesellschaft mit Jesus: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!" (Matthäus 7,12) Die so genannte „Goldene Regel" ist so genial wie einfach. Sie ist „ethischer Kern" aller Religionen. Jesus übernimmt diese alte ethische Weisung der Menschheit und sieht in ihr „das Gesetz und die Propheten" erfüllt. Man muss sich diese „Goldene Regel" auf der Zunge zergehen lassen: Was das für Konsequenzen hätte!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15860
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