SWR1 3vor8

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(zu Kohelet 1,2; 2, 21-23) „Windhauch, Windhauch, alles ist Windhauch. Besitz, Wissen, Können und Erfahrung, alles nur Windhauch. Wozu Tage und Nächte mit Sorgen und Ärger verschwenden, alles ist doch nur Windhauch." So ähnlich klingt es heute in den Katholischen Kirchen, wenn aus dem Buch Kohelet gelesen wird. Auch wenn sich das fatalistisch oder gar depressiv anhört, das Buch Kohelet ist eines meiner Lieblingsbücher der Bibel. Es wurde rund 200 Jahre vor Christus geschrieben und zählt zur Weisheitsliteratur des Alten Testaments. Mit einer Weltsicht, die als existentialistisch mit spirituellem Mehrwert bezeichnet werden könnte. Mit einem sehr realistischen Menschenbild, das die Licht- und Schattenseiten unseres Wesens sehr genau kennt. Und mit einer Sprache von literarischer Prägnanz und archaischer Kraft. Darum haben sich auch viele Sprüche aus dem Buch Kohelet bis heute in unserer Alltagssprache gehalten: „Wer andern eine Grube gräbt", zum Beispiel oder „Alles hat seine Zeit, eine Zeit zu leben, eine Zeit zu sterben, eine Zeit zu pflanzen und eine Zeit das Gepflanzte auszureißen." Ich habe gar nicht gewusst, dass diese Passage aus  dem Buch Kohelet die Vorlage von „Turn, Turn, Turn" einem der größten Hits der Byrds war und auch des Puhdys-Klassiker „Wenn ein Mensch lebt".

Es sind aber nicht nur die Klassiker, die das Buch Kohelet so lesenswert machen. Es stehen zum Teil fast witzige Lebensweisheiten drin, wenn es zum Beispiel heißt: „ Lieber ein lebender Hund als ein toter Löwe". Oder man findet eine attraktive Mischung aus ganz handfesten Alltagsweisheiten und zeitloser Psychologie.

Wenn da steht: „ „Wer eine Mauer niederreißt, den beißt die Schlange." Das ist auf der einen Seite die im Mittelmeerraum nicht ungefährliche Erfahrung, dass sich Schlangen oft in losen Steinmauern verstecken.     Auf der anderen Seite ist die psychologische Einsicht, dass es für die Menschen oft auch schmerzlich wird, ja zuweilen gefährlich, wenn sie Mauern zwischen sich einreißen...

Aber bei aller durchaus negativen Weltsicht im Buch Kohelet, sein Autor sieht nicht nur schwarz. Sondern vor der überdeutlich schwarzen Folie des Todes, die er hinter seinem Buch ausspannt, wirken die Farben eines bewusst gelebten Lebens umso kräftiger. Wenn er schreibt: „ Wohlan, so iss Dein Brot in Freude und trinke frohen Herzens Deinen Wein. Denn Gott gefällt seit jeher solch Tun von Dir...Und genieße das Leben mit der Frau, die Du liebst, alle Tage Deines vergänglichen Lebens, die Gott Dir gibt unter der Sonne."

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen einen schönen Sommersonntag

 

 

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