Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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"Ich suche nicht, - ich finde." soll der Maler Pablo Picasso gesagt haben. Nur wenigen Menschen scheint diese Haltung vergönnt zu sein. Nicht suchen, ausprobieren, experimentieren, sondern finden wie ein Künstler. Warum suchen wir überhaupt, und was?
Ich kenne manchmal dumpfe, bedrohliche Gefühle. Ich fühle mich unwohl, unruhig, und beginne zu suchen. Es ist eine eigene, erste Herausforderung diese Gefühle als solche überhaupt wahrzunehmen. Mangel und Leere dann auch noch anzunehmen, die Unsicherheit zu akzeptieren, das ist eine noch schwerere Übung, finde ich. Ignorieren oder verdrängen ist einfacher. Oder den Versuch unternehmen, schnell den Mangel auszugleichen oder die Leere zu füllen. Je unbewusster das abläuft, desto gefährdeter bin ich. Von der Werbung werden wir ja dazu verleitet, Genussmittel wie Bier, Wein oder andere alkoholhaltige Getränke bedenkenlos zu konsumieren. Ganz legale Suchtstoffe versprechen Zufriedenheit und Lebensfreude: Zigaretten, Zucker, Fett, Kaffee. Auch elektronische Spiele und Fernsehkonsum können vorübergehend ablenken und das Gefühl von Erleichterung vermitteln und - unkontrolliert - süchtig machen. "Etwas" unterhält uns, nährt uns, befriedigt uns. Aber Konsum sättigt nicht tiefgehend oder langfristig. Wenn der Moment vorübergeht, entsteht der Wunsch nach mehr. Erst wenn es einem ganz schlecht geht, so richtig schlecht, besteht eine Chance sich dann einzugestehen, dass man vielleicht süchtig ist. Ein erster Schritt. Nicht einfach. Ich darf aufhören, mit einer funktionierenden Fassade mir und anderen noch etwas vorzumachen. In Selbsthilfegruppen unter Gleichgesinnten, zum Beispiel gelingt das, die Selbsttäuschung abzulegen. Viele glauben viel zu lange, dass sie ohne Hilfe zurechtkommen würden, allein Ängste und Einsamkeit überwinden könnten. Wir haben meistens nicht gelernt, uns einander zuzumuten oder um Unterstützung zu bitten. Dabei genügt es oft, Leid anzuerkennen, Abgründe und Fragen miteinander auszuhalten: mit Achtsamkeit, tiefgreifendem Forschen, verstanden und angenommen werden, so wie man ist. Dann können Verletzungen und Enttäuschungen schon beginnen zu heilen. Dazu braucht es keinen Aktionismus, sondern eher Veränderungen von innen her.
"Ich suche nicht, - ich finde." sagte Pablo Picasso. Wenn wir auf der Suche nach uns selbst zu Findenden werden, mit allem was dazugehört, dem Verletzten und dem Kostbaren, werden wir weicher und liebevoller mit uns selbst und meist auch mit unserer Umwelt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15651
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