Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Je älter ich werde, desto klarer ist mir, was mir in meinem Glauben am wichtigsten ist: das Heilsame. Jesus von Nazareth war auch ein Heiler. Und dieser heilsame Aspekt ist sehr alltagsfähig, auch heute noch. Wenn ich darauf schaue, wie Jesus mit den Menschen umgegangen ist, dann kann ich daraus viel für mein Leben lernen oder mir zum Vorbild nehmen. Zuallererst: Er war präsent, ganz da, wenn er mit einem Menschen gesprochen hat. Mit viel Einfühlungsvermögen und der Fähigkeit, sich auf den Einzelnen einzustellen. Mal sanft, mal fordernd, mal väterlich, mal Geborgenheit schenkend. Dabei hat nicht das Ergebnis gezählt oder der schnelle Erfolg, sondern die Begegnung. Allein, dass er sich auf einen ganz besonderen Menschen eingelassen hat, hat diesem schon gut getan. Und in diesen Begegnungen ging es immer ums Wesentliche, nicht um Oberflächlichkeiten wie gesellschaftliches Prestige, Besitz oder Macht, sondern darum: wer bist du, wie lebst du und was macht das mit dir? Jesus muss eine unbeschreibliche Fähigkeit gehabt haben, die Menschen in ihrem Innersten zu erkennen, in ihrem Innersten zu berühren. Er hat sie aber nicht nur innerlich berührt, sondern manchmal ganz banal auch körperlich um ihnen seine Nähe spüren zu lassen. Und um ihnen ihre Würde deutlich zu machen, zu zeigen wie wertvoll sie sind. Diese innere und äußere Berührung hat die Selbstheilungskräfte der Menschen angezapft. Sie spüren lassen, dass das, was sie brauchen, was sie gesund macht auch schon in ihnen steckt. Jesus hat sie aufgerichtet, wenn sie gebückt waren von Sorgen oder Schwermut, ihnen die Augen geöffnet, wenn sie blind waren für sich selbst oder die anderen. Hat sie hören lassen, wenn der Lärm der Oberflächlichkeiten sie taub gemacht hat und sie dann - und das ist für mich das Schönste des Umgangs Jesu mit den Menschen: frei gegeben. Immer wenn ein Mensch in der Begegnung mit Jesus heil geworden ist, hat er zu ihm gesagt: „...und jetzt red' nicht darüber und geh' nach Hause." Im griechischen Urtext der Bibel heißt das  nach Hause gehen „Eis ta idia" und das bedeutet „Geh' in dich, bleib' in dir, sei du selbst und lebe dein Leben, so wie es gut für dich und die anderen ist. Denn genau so hat Gott dich gewollt.

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