Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Manchmal muss es einfach was Neues sein, ein neues Outfit, ein neues Auto, eine neue Frisur, eine neue Stelle. Und dann wieder gibt es Bereiche, da kann's gar nicht bekannt genug sein. Weihnachten zum Beispiel. Es soll schon Familienzerwürfnisse gegeben haben, weil einer mal anders Heiligabend feiern wollte als man immer gefeiert hat, schon mit Opa und Oma, und die sind seit 25 Jahren tot.

 Besonders Kinder bestehen unnachgiebig darauf, dass sich nicht ständig alles ändert. Wenn eine Geschichte wieder vorgelesen wird, dann bitte genauso wie beim ersten Mal. Offenbar brauchen sie die verlässliche Wiederholung, die das Bekannte bestätigt. Klar, für Kinder ist jeder Tag ein Abenteuer, da gibt es sowieso immer etwas Neues zu entdecken und zu lernen. Und gerade deshalb braucht es auch Orientierungsmarken, die man wiedererkennt, sonst würde man sich im Neuen verloren fühlen und vielleicht auch verlieren.

Von Erich Kästner stammt das Wort: Der Geist will immer etwas Neues, die Seele will immer dasselbe. Ich glaube, da ist was dran. Und das gilt nicht nur für Kinder. Die Kulturgeschichte hat unzählige Riten und Rituale hervorgebracht. Sie haben alle den einen Sinn: Geländer zu sein auf den schwankenden Brücken des Lebens.

 Der Kuss zum Abschied, der kleine Mittagsschlaf, der Spaziergang auf einem ganz bestimmten Weg, die Zigarette auf der Terrasse oder die Tasse Tee bei einer Kerze. Jeder hat so seine eigenen kleinen Rituale, die der Zeit Gestalt und Form geben. Für viele ist es auch das Gebet, das den Tag strukturieren hilft, auch für mich.

 Am Morgen, wenn ich die Wohnung verlasse, halte ich kurz inne und bitte Gott, bei mir zu sein und mich zu führen. Am Abend tut es mir gut, wenn ich den Tag nochmals anschaue und mit allem, was er mir gebracht oder auch genommen hat, in Gottes Hand zurücklege. Meistens muss auch das schnell gehen, weil ich schon zu müde bin und angefüllt mit Eindrücken und Gedanken und eigentlich nur noch ins Bett möchte.

 Aber dazu reicht es fast immer. Und so wenig es auch ist, es ist mir wichtig und gibt mir Halt. Ich vergesse dann nicht so leicht, was mir wirklich wichtig ist und worauf ich mich verlassen kann. Mit dieser Sicherheit werde ich dann auch mutiger und kann mich mit Freude und Neugier auf Neues einlassen.       

 

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