Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Da hab ich doch was Besseres zu tun als rumsitzen und warten, schimpft ein Mann und geht verärgert aus dem Wartezimmer.
Rumsitzen und warten. Wen regt das nicht auf. Die meisten haben wirklich anderes zu tun. Aktiv sein, etwas erledigen, die To-do-Liste abarbeiten, das wird meist als das Bessere, das Wichtigere angesehen.
Ich finde aber: wenn wir nur noch das kennen, dann fehlt etwas.
Eine Geschichte erzählt, dass Jesus einmal das Dasitzen und Zuhören in Schutz genommen hat gegen allzu viel Umtrieb.
Zwei Schwestern, wird erzählt, die zusammen in einem Haushalt lebten, hatten Jesus und seine Freunde zum Essen eingeladen. Die ältere von den beiden machte sich viel Mühe mit dem Kochen. Die jüngere wollte nicht von Jesu Seite weichen. Kein Wort, das er sprach, wollte sie verpassen. Für die ältere Schwester sah das nun wirklich aus, wie dasitzen und nichts tun. Das hat sie zur Weißglut gebracht. Die Ältere beklagte sich bei Jesus: Ich weiß nicht, wo ich zuerst hinlangen soll. Und meine Schwester sitzt da und rührt keinen Finger. Da nimmt Jesus das scheinbare Rumsitzen in Schutz. Er sieht darin nichts Schlechtes, im Gegenteil.
Lass Maria in Ruhe, sie hat sich für das Wesentliche entschieden, sie hat gespürt, was für sie richtig ist, sagt er.
Ich glaube, wenn man die Haltungen der beiden Schwestern voneinander trennt, dann wird es falsch. Wenn ich nur eine Lebenshaltung richtig finde, dann geht es schief. Nicht nur dass die Küche kalt bleibt. Auch die aktiven Menschen verpassen etwas, wenn sie nur Erledigen und Wegschaffen kennen. Wenn sie sich nicht auch Pausen gönnen, Zeiten zum Verweilen, zum Zuhören oder einfach da sitzen und sich nicht für alles zuständig fühlen.
Sicher - Maria bleibt ganz freiwillig sitzen. Wenn ich irgendwo warten muss, dann tue ich das zunächst gar nicht gern. Aber vielleicht kann ich von Maria lernen, dass nicht nur aktive Zeiten zählen und Wartezeiten auch dazu gehören. Ich kann sie als kreative Pausen anschauen, anstatt mich über die verlorene Zeit zu ärgern.
Ich kann Kinder beim Spielen beobachten und an meine Enkelkinder denken. Ich kann Menschen zuhören und staunen, wie sie lächelnd von schweren Zeiten erzählen. Ich kann in meinem Herzen ein Lied singen oder ein Gebet sprechen. Ich kann einfach ruhig atmen und mich entspannen. Alles besser als mich zu ärgern und mir dadurch den Tag zu verderben. Dafür ist er viel zu schade.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15403
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