Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

Ich habe doch nichts zu verschenken, höre ich manchmal.
Aber stimmt das wirklich?
Habe ich wirklich nichts zu verschenken? Oder Sie? Haben Sie nichts zu verschenken? Ist Schenken nicht eher eine Sache, die vom Herzen abhängt und nicht vom Geldbeutel? Mir gefällt der Spruch: Es ist das Herz, das gibt, die Hände geben nur her.
Aber man muss ja nicht unbedingt Geld haben, wenn man etwas schenken will.
In Wiesloch - so habe ich im Radio gehört - gibt es eine Bürgerinitiative, die verschenkt Zeit. Das finde ich großartig. Die Menschen, die da mitmachen, Männer und Frauen verschenken Zeit. Machen Zeitgeschenke an Menschen, die dadurch beschenkt werden. Sie lesen vor, sie begleiten zum Augenarzt oder holen die neue Brille ab.
Da können auch die mitmachen, die vom Geldbeutel her gesehen nicht viel zu verschenken haben.
Seine Zeit kann man totschlagen, man kann sie vertrödeln und verschlafen. Aber seine Zeit kann man - kann frau - eben auch verschenken. Und viele erleben, dass die Freude,  die sie mit ihrem Zeitgeschenk machen, dass die wieder zu ihnen zurückkommt. Sie sind zufrieden, weil sie erleben, dass ihr Zeitgeschenk angenommen wird und den Tag eines anderen hell macht.
Sie erleben Sinn, weil sie etwas für andere tun und ihre Zeit sinnvoll einsetzen.
Sie werden gelassen, weil sie vertrauen, dass noch andere Dinge zählen, als die die man kaufen und verkaufen kann.
Das wissen alle, die ehrenamtlich Besuche machen oder auf der Nachbarschaft helfen.
Warum also nicht ganz bewusst einen Nachmittag in der Woche verschenken. Es bleiben ja immer noch 6 andere. Natürlich gibt es Zeiten im Leben, da kann man keine Zeitgeschenke machen. Da braucht frau Zeitgeschenke. Da ist der Tag und die Woche zum Platzen voll: Beruf und Kinder, Haushalt und Sport, Gitarrenunterricht und Fußball Training. Aber so dicht ausgefüllt sind nicht alle Lebenszeiten.
Ich habe nichts zu verschenken. Das stimmt wohl nicht ganz. Jede hat etwas zu verschenken. Und wenn es nicht das große Zeitgeschenk ist, dann ist es ein Lächeln, ein Paket für den Nachbar annehmen, eine Tür aufhalten. Auch das ist meist mit etwas Zeit verbunden. Aber ich finde: Soviel Zeit muss sein, weil das einfach glücklich macht und das Zusammenleben menschlich.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=15400
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